Q2 2019 - Entwicklungen in der Berechnung des Tarifanteils Energielieferung

 

Ein Beitrag von

Marc Grüninger M.C.J.
Patrizia Lorenzi 

 

Rückblick und Ausgangslage

Im Jahr 2016 wurde höchstrichterlich bestätigt und entschieden (BGE 142 II 451 vom 20.06.2016), dass die Kosten eines Verteilnetzbetreibers für die Lieferung von Energie, unabhängig davon, ob diese aus Einkauf oder Eigenproduktion stammt, entsprechend den gelieferten Mengen auf die Endverbraucher in der Grundversorgung und die freien Endkunden zu verteilen sind. Unzulässig ist es, die Kosten der Eigenproduktion vollumfänglich den Endverbrauchern in der Grundversorgung und die Kosten des Energieeinkaufs vollumfänglich den freien Kunden anzulasten, weil sonst nur diese von allfälligen Kaufpreisvorteilen profitieren würden. Diese Kostenverteilung (Energierecht und natürliche Rohstoffe) gestützt auf Art. 6 Abs. 5 Stromversorgungsgesetz (StromVG) ist auch als Durchschnittspreismethode bekannt.

 

Strategie Stromnetze Schweiz

Mit der Strategie Stromnetze Schweiz (vgl. ELQ Juni 2018) wurde die Durchschnittspreismethode konkretisiert und relativiert. So müssen Preisvorteile über Tarifanpassungen in den Folgejahren eingerechnet werden, nicht jedoch, wenn diese aus Jahren stammen, die mehr als fünf Jahre zurückliegen (revidierter Art. 6 Abs. 5 StromVG). Dagegen müssen als Ausnahme von der Durchschnittspreismethode allfällige Preisvorteile aus dem Verkauf von Elektrizität aus erneuerbarer Energie von inländischen Erzeugungsanlagen nicht in die Tarife der festen Endverbraucher eingerechnet werden, aber nur solange als das Marktprämienmodell dauert (neuer Art. 6 Abs. 5bis StromVG).

Marktprämienmodell

Aufgrund der angespannten finanziellen Situation von inländischen Wasserkraftparks wurde mit der Energiestrategie 2050 das Marktprämienmodell eingeführt. Es ist auf fünf Jahre befristet und endet am 31. Dezember 2022. Betreiber von Grosswasserkraftanlagen mit einer Leistung von mehr als 10 MW dürfen für den Strom, falls sie diesen am Markt unter den Gestehungskosten verkaufen müssen, eine Marktprämie in Anspruch nehmen (max. 1,0 Rappen/kWh). Aber nicht nur der Produzent hat einen Anspruch, sondern auch ein allfälliger Dritter (Eigner oder  Elektrizitätsversorgungsuntenehmen), sofern er das Risiko der Preisschwankung trägt.

Jene Energiemenge, die ein Verteilnetzbetreiber für die Grundversorgung an die Endverbraucher liefert, bildet aber nicht Gegenstand einer Marktprämie und muss abgezogen werden. Ein Verteilnetzbetreiber hat jedoch das Recht, eine allfällige defizitäre Eigenproduktion aus Grosswasserkraftanlagen zu den vollen Gestehungskosten in die Grundversorgungstarife einzurechnen.

Verhältnis zwischen der Ausnahme von der Durchschnittspreismethode und dem Marktprämienmodell

Die neue Regelung betreffend den Absatz von elektrischer Energie in die Grundversorgung zu Gestehungskosten ohne Anrechnung eines allfälligen Preisvorteils gemäss Art. 6 Abs. 5bis StromVG besteht neben und zusätzlich zum Marktprämienmodell. Es ist davon auszugehen, dass der Betreiber einer Grosswasserkraftanlage und einer Grundversorgung erwartungsgemäss vorab die Endverbraucher in der Grundversorgung bedient und die vollen Gestehungskosten in den Grundversorgungstarif einrechnet. Die restliche Elektrizitä t kann er wahlweise zu Gestehungskosten in die Grundversorgung eines Dritten oder mit Aussicht auf eine Marktprämie am Markt absetzen.

Aufgrund dieses Ablaufs sind die beiden Instrumente pro Energielieferung zeitlich nicht kombinierbar, da die Marktprämie erst im Nachhinein bestimmt werden kann, während dagegen der Grundversorgungstarif im Voraus berechnet werden muss.

Wichtigste Konkretisierungen StromVV

Die Konkretisierungen zu Art. 6 Abs. 5bis StromVG finden sich in  den neuen oder geänderten Artikeln 4 bis 4c der Stromversorgungsverordnung (StromVV), wobei diese aber nur bis zum 31. Dezember 2022 gelten. Massgebend sind sie erstmals für das Tarifjahr 2019 und letztmals für das Tarifjahr 2022 (Art. 31k StromVV sowie Ziff. II Abs. 3). Die geänderten und neuen Bestimmungen sowohl des StromVG als auch der StromVV traten jedoch nicht am 1. Januar, sondern erst am 1. Juni 2019 in Kraft. Deshalb teilte die ElCom am 9. April 2019 mit, dass für das ganze Tarifjahr 2019 die Gestehungskosten nach Art. 6 Abs. 5bis StromVG in die Tarife für feste Endverbraucher eingerechnet werden dürfen.

Der auch bisher bereits enthaltene Grundsatz, dass sich die Gestehungskosten an einer effizienten Produktion orientieren müssen, wird in Art. 4 Abs. 2 StromVV dahingehend ergänzt, dass ein Verteilnetzbetreiber kraftwerksscharf maximal die Gestehungskosten der Energielieferung in den Tarifanteil einrechnen darf, soweit er inländisch produzierte Elektrizität aus erneuerbaren Energien nach Massgabe von Art. 6 Abs. 5bis StromVG in die Grundversorgung absetzt (somit ohne Anrechnung eines Preisvorteils). Allfällige Unterstützungen sind jedoch abzuziehen. Insbesondere bei Einkäufen von Elektrizität aus fremden Anlagen ist in der Regel nur ein Preis vereinbart, weshalb in Art. 4a StromVV konkretisiert wird, dass auch bei Einkäufen die Unterstützungen (wie z.B. Einmalvergütungen und Investitionsbeiträge) bei der Berechnung des Tarifanteils der Energielieferung abgezogen werden und zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe diese Abzüge erfolgen müssen.

Bei Einkäufen aus Klein- und Kleinstanlagen wurde auf den Gestehungskostenansatz verzichtet. Es dürfen die Beschaffungskosten inklusive der Kosten für Herkunftsnachweise maximal bis zum jeweils massgeblichen Vergütungsansatz eingerechnet werden (Art. 4 Abs. 3 StromVV).

Die Kosten der Elektrizität von Erzeugungsanlagen, die im Einspeisevergütungssystem sind oder die von einer Mehrkostenfinanzierung oder von vergleichbaren kantonalen oder kommunalen Unterstützungen profitieren, dürfen nach Art. 6 Abs. 5bis StromVG nicht in den Grundversorgungstarif eingerechnet werden (Art. 4 Abs. 5 StromVV). Dies deshalb, weil bei Anlagen im Einspeisevergütungssystem in der Regel die Gestehungskosten gedeckt werden können und sofern dies bei mehrkostenfinanzierten Anlagen nicht der Fall ist, gefolgert werden muss, dass die Anlage nicht effizient betrieben wird.

Die Art. 4b und 4c StromVV enthalten sowohl bestehende als auch neue Nachweis- und Meldepflichten der Verteilnetzbetreiber.

 

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