Q2 2018 - Strategie Stromnetze Schweiz

 

Ein Beitrag von

Marc Grüninger M.C.J.
Patrizia Lorenzi 

 

Ausgangslage

Die Stromnetze sind von zentraler Bedeutung für die Stromversorgung. Über die Stromnetze wird die elektrische Energie vom Produktions- zum Verbrauchsort geführt. Die Strategie Stromnetze schafft neue gesetzliche Rahmenbedingungen (Energierecht und natürliche Rohstoffe) für die Netzentwicklung. Nachdem der Bundesrat im Mai 2012 den Entscheid zur Stossrichtung der Strategie zur Entwicklung der Stromnetze gefällt hat (Strategie Stromnetze), verabschiedete er am 13. April 2016 die Botschaft zum Bundesgesetz über den Um- und Ausbau der Stromnetze. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Mantelerlass, der die in diesem Zusammenhang notwendigen Änderungen des Elektrizitätsgesetzes (EleG) und des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) umfasst. Mit der Strategie Stromnetze entsteht somit kein separates, neues Gesetz. Das Parlament hat die Gesetzesvorlage am 15. Dezember 2017 angenommen. Die Referendumsfrist ist am 7. April 2018 unbenutzt abgelaufen.

Aufgrund dieser Gesetzesänderungen werden zudem diverse Verordnungen angepasst. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 8. Juni 2018 die Vernehmlassung zu diesen Verordnungsrevisionen eröffnet. Die Vernehmlassung dauert bis zum 1. Oktober 2018.

Die Änderungen im EleG und StromVG treten voraussichtlich im zweiten Quartal 2019 in Kraft.

Der vorliegende Energy Law Quarterly bietet Ihnen einen Überblick zum Inhalt dieser Strategie Stromnetze.

 

Ziele der Strategie Stromnetze

Die Strategie Stromnetze strebt die rechtzeitige und bedarfsgerechte Entwicklung der schweizerischen Stromnetze zur Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit an. EleG und StromVG enthalten deshalb entsprechende Vorgaben für die Entwicklung der Stromnetze, für die Optimierung der Verfahren bei Planung und Bau von Leitungen sowie für den Entscheid "Kabel- oder Freileitung". Damit soll insgesamt die Akzeptanz für Leitungsbauprojekte verbessert werden. Mit der entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit soll zudem die Transparenz erhöht werden. Im Einzelnen:

 

Entwicklung der Stromnetze

Alle zehn Jahre wird das Bundesamt für Energie einen Szenariorahmen (mit drei Szenarien) entwickeln müssen, der aufgrund einer Gesamtenergiebetrachtung die Bandbreite von wahrscheinlichen energiewirtschaftlichen Entwicklungen aufzeigen soll. Auf dieser Grundlage wird jeder Netzbetreiber eine Bedarfsplanung über seine Netze mit einer Nennspannung von über 36 kV (d.h. ab Netzebene 3) erstellen müssen. Dieser sogenannte Mehrjahresplan ist ebenfalls auf zehn Jahre auszulegen. Ferner wird jeder Netzbetreiber unabhängig von der Netzebene Grundsätze erarbeiten müssen, die er bei der Netzplanung anwenden wird. Dabei hat er das NOVA-Prinzip zu befolgen (Netzoptimierung vor Verstärkung vor Ausbau).

 

Verfahrensoptimierung

Die Dauer für gewisse Verfahrensschritte werden neu definiert, um Leitungsvorhaben zu beschleunigen. So muss ein Sachplan für Leitungen des Übertragungsnetzes (also Netzebene 1) innerhalb von zwei Jahren erarbeitet werden. Ebenfalls soll innerhalb von zwei Jahren eine Plangenehmigung durchgeführt werden. Sind Gutachten im Zusammenhang mit dem Natur- und Heimatschutzgesetz notwendig, müssen diese innerhalb von drei Monaten eingereicht werden. Neu können Projektierungszonen für längstens fünf Jahre festgelegt werden.

Zudem kann die Genehmigungsbehörde Baulinien zur Sicherung von bestehenden Anlagen, aber auch zur Sicherstellung künftiger Ausbauten festlegen.

Sowohl den Anlagen des Übertragungsnetzes als auch weiteren, vom Bundesrat bezeichneten Anlagen wird ein nationales Interesse beigemessen. Damit kann in den entsprechenden Verfahren zu Ausbauprojekten direkt eine Interessenabwägung gegenüber anderen schutzwürdigen Interessen durchgeführt werden.

 

Entscheidung Kabel- oder Freileitung

Leitungen eines Verteilnetzes mit einer Nennspannung von unter 220 kV (also Netzebene 3 bis 7) sind grundsätzlich als Erdkabel auszuführen, sofern die Mehrkosten im Vergleich zu einem Ausbau als Freileitung den Mehrkostenfaktor 3.0 nicht überschreiten. Leitungen auf der Netzebene 1 (Übertragungsnetz) können als Freileitung oder als Erdkabel ausgeführt werden.

 

Akzeptanz und Transparenz

Das Bundesamt für Energie und die Kantone informieren die Öffentlichkeit über die Netzentwicklungen und die Mitwirkungsmöglichkeiten in den Verfahren. Dadurch soll nicht nur die Transparenz, sondern zusammen mit den anderen Zielsetzungen insgesamt die Akzeptanz der Öffentlichkeit für Leitungsbauprojekte erhöht werden.

 

Weitere wichtige Neuerungen

Im Zuge der Strategie Stromnetze wurden zusätzliche Änderungen aufgrund der politischen Diskussion vorgenommen.

 

Durchschnittspreismethode

Zu beachten ist Art. 6 Abs. 5 und 5bis StromVG, welcher die rechtliche Grundlage für die sogenannte Durchschnittspreismethode liefert. Gemäss der Durchschnittspreismethode müssen Preisvorteile, die Grundversorger aufgrund ihres freien Netzzugangs erwirtschaften, anteilsmässig an die festen Endverbraucher weitergegeben werden (vgl. GHR ELQ Oktober 2016 zum Bundesgerichtsurteil vom 20. Juli 2016). Nach parlamentarischen Vorstössen zur Abschaffung der Durchschnittspreismethode wurde diese nun zwar beibehalten, gleichzeitig aber auch relativiert. Denn wer Strom aus schweizerischen Grosswasserkraftanlagen an die festen Endverbraucher liefert, muss die Preisvorteile bis zum Auslaufen der Marktprämie nicht weitergeben.

 

Kosten für innovative Massnahmen

Ausnahmsweise kann ein Netzbetreiber die Kosten innovativer Massnahmen für intelligente Netze an seine Betriebs- und Kapitalkosten anrechnen. Der Bundesrat wird dazu die Einzelheiten regeln können. Die Idee dahinter ist die Förderung der Entwicklung des Smart Grid in der Schweiz.

 

Intelligente Messsysteme

Mit dem neuen Energiegesetz, welches per 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist, wurde der Startschuss für den Rollout von intelligenten Messsystemen bei Endverbrauchern abgegeben. Mit der Strategie Stromnetze kommt neu dazu, dass der Rollout von intelligenten Messsystemen nicht nur bei Endverbrauchern, sondern auch bei Produzenten und Speichern stattfinden soll.

 

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