Q3 2020 - Schweiz: Geschlechterrichtwerte und Transparenzregeln im Rohstoffsektor

 

Ein Beitrag von 

Marc Grüninger 
Patrizia Lorenzi
Sarah Fasel

 

Einleitung

Künftig sollen in grossen, börsenkotierten Unternehmen mehr Frauen in die Geschäftsleitung und in den Verwaltungsrat gewählt werden und strengere Transparenzvorschriften im Rohstoffsektor gelten. Der Bundesrat hat am 11. September 2020 beschlossen, die entsprechenden Änderungen im Schweizerischen Obligationenrecht (OR) auf den 1. Januar 2021 in Kraft zu setzen.

 

Geschlechterrichtwerte und Transparenzregeln als Teil der Aktienrechtsrevision

Am 16. Juni 2020 verabschiedete das Parlament die Aktienrechtsrevision. Die Vorlage enthält unter anderem die Einführung von Geschlechterrichtwerten sowie strengere Transparenzregeln für Unternehmen, die in der Rohstoffförderung tätig sind. Die Aktienrechtsrevision trägt somit namentlich der internationalen Rechtsentwicklung Rechnung und enthält in Anlehnung an das EU-Recht die Regelung der Transparenz bei wirtschaftlich bedeutenden, in der Rohstoffförderung tätigen Unternehmen. Diese sollen verpflichtet werden, Zahlungen an staatliche Stellen offenzulegen.

Da diese beiden Änderungen keine Ausführungsbestimmungen in entsprechenden Verordnungen benötigen, setzt der Bundesrat die entsprechenden Änderungen des Obligationenrechts bereits auf den 1. Januar 2021 in Kraft. Die übrigen Punkte der äusserst umfangreichen Aktienrechtsrevision erfordern zum Teil noch Ausführungsbestimmungen und werden voraussichtlich erst im Jahr 2022 in Kraft treten.

 

Mehr Frauen im Kader von börsenkotierten Unternehmen

Mit der neuen Regelung soll der verfassungsmässigen Pflicht zur Gleichstellung von Frau und Mann Rechnung getragen werden. Grosse börsenkotierte Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sollen in Zukunft mehr Kaderstellen mit Frauen besetzen. Konkret gilt neu ein Richtwert von 30 Prozent Frauen im Verwaltungsrat und 20 Prozent Frauen in der Geschäftsleitung. Werden diese Richtwerte nicht eingehalten, ist das Unternehmen verpflichtet, im Vergütungsbericht die Gründe für die Nichteinhaltung auszuführen sowie die Massnahmen zur Verbesserung darzulegen. Die Berichterstattungspflicht beginnt für Verwaltungsräte ab Januar 2026 und für Geschäftsleitungen ab Anfang 2031.

 

Mehr Transparenz im Rohstoffsektor

Hintergrund der Transparenzvorschriften

Der Bericht des Bundesrates vom 25. Juni 2014 hatte empfohlen, in der Schweiz eine Transparenzregelung einzuführen, die sich an den Regelungen der EU orientiert. Massgebend dafür waren die Richtlinie 2013/34/EU220 (Rechnungslegungsrichtlinie) sowie die Richtlinie 2013/50/EU221 (Änderungen der Transparenzrichtlinie). Beide Richtlinien enthalten u. a. Bestimmungen über die Transparenz bzw. Offenlegung von Zahlungen von in der Rohstoffgewinnung tätigen Unternehmen an staatliche Stellen.

Ähnliche Vorschriften enthält der in den USA am 21. Juli 2010 verabschiedete «Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act». Die Ausführungsbestimmungen der U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) wurden vom American Petroleum Institute und von der U.S. Chamber of Commerce erfolgreich angefochten. Die SEC wurde angewiesen, neue Ausführungsbestimmungen zu erarbeiten. Am 27. Juni 2016 veröffentlichte die SEC die Final Rule bezüglich Zahlungstransparenz von in der Rohstoffgewinnung tätigen Unternehmen. Die Berichterstattungspflicht galt erstmals für das Geschäftsjahr, das am 30. September 2018 oder später endete.

 

Inhalt der Vorschriften

Die neuen Bestimmungen in den Artikeln 964a ff. OR sind den EU-Richtlinien nachgebildet. Sie sind systematisch Teil des zweiunddreissigsten Titels über die kaufmännische Buchführung und Rechnungslegung, weil sie thematisch einen engen Zusammenhang mit dem Rechnungslegungsrecht aufweisen.

Bei den Tätigkeiten im Rohstoffbereich wird in der Regel zwischen der Gewinnung bzw. dem Abbau von Rohstoffen einerseits und dem physischen Rohstoffhandel andererseits unterschieden werden. Die Transparenzregelung gilt jedoch ausschliesslich für Unternehmen, die im Bereich der Rohstoffgewinnung tätig sind (Gewinnung von Mineralien, Erdöl, Erdgas oder Gewinnung bzw. Einschlag von Holz in Primärwäldern). Zudem gilt sie nur für Unternehmen, die von Gesetzes wegen zu einer ordentlichen Revision ihrer Jahresrechnung verpflichtet sind. Damit werden ausschliesslich börsenkotierte und grosse Unternehmen erfasst.

Diese Unternehmen sind verpflichtet, in einem schriftlichen Bericht Zahlungen von mindestens 100 000 Franken pro Geschäftsjahr offenzulegen, die das Unternehmen an staatliche Stellen geleistet hat. Der Bericht muss vom Unternehmen elektronisch veröffentlicht werden. Strafbestimmungen sanktionieren die Verletzung der Vorschriften betreffend die Berichterstattung über Zahlungen an staatliche Stellen. Mit Busse bestraft werden kann, wer vorsätzlich die Berichterstattung ganz oder teilweise unterlässt oder darin falsche Angaben macht, sowie wer vorsätzlich der Pflicht zur Führung und Aufbewahrung der Berichte nicht nachkommt.

Der Bundesrat hat zudem die Kompetenz, die Transparenzvorschriften auch auf den Rohstoffhandel auszudehnen.

 

Ziele der Regelung

Die Schweiz gilt weltweit als wichtiges Zentrum des internationalen Rohstoffhandels und trägt damit eine entsprechende Verantwortung. Werden die in der Rohstoffgewinnung tätigen Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zur Offenlegung von Zahlungen an staatliche Stellen (Regierungen und staatliche Unternehmen) verpflichtet, so leisten sie einen Beitrag zu mehr Transparenz. Investorinnen und Investoren sowie Banken von Rohstoffunternehmen können damit auch besser nachvollziehen, welche wirtschaftlichen und finanziellen Zahlungen in Abbauländern fliessen. International ist dieser Trend in Richtung erhöhter Transparenz bei Zahlungen von in der Rohstoffgewinnung tätigen Unternehmen an staatliche Stellen bereits feststellbar. Mit dem Erlass der Transparenzvorschriften folgt die Schweiz diesem Trend und reduziert damit den internationalen Druck sowie auch allfällige Reputationsrisiken.

 

Gerne unterstützen wir Sie bei Fragen zur Umsetzung der neuen Vorschriften.

 

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