Q2 2022 - Geplanter Rettungsschirm für Schweizer Strombranche

 

Ein Beitrag von 

Marc Grüninger 
Patrizia Lorenzi

 

Ausgangslage

Mitte Mai 2022 hat der Bundesrat die Botschaft für ein dringliches Bundesgesetz über subsidiäre Finanzhilfen für Stromunternehmen an das Parlament überwiesen. Mit diesem bis am 31. Dezember 2026 befristeten Rettungsschirm will er gemäss seiner Medienmitteilung sicherstellen, dass die Stromversorgung in der Schweiz auch dann funktioniert, wenn es durch weitere starke Preisaufschläge im internationalen Stromhandel zu einer Kettenreaktion in der Strombranche kommen sollte, die einen Systemkollaps zur Folge haben könnte. Systemkritische Schweizer Stromunternehmen sollen im Fall von aussergewöhnlichen Marktentwicklungen beim Bund Darlehen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen beziehen können.

Bekanntlich haben sich die Preise auf den europäischen Energiemärkten zugespitzt. Obwohl die Schweizer Stromunternehmen gut aufgestellt seien, könne es nach Auffassung des Bundesrates in dieser Situation im schlimmsten Fall zu einer unkontrollierbaren Kettenreaktion kommen, welche die Liquidität eines systemkritischen Stromkonzerns und damit auch die Schweizer Stromversorgung gefährden könnte. Grund dafür sind die Regeln des Strommarktes, die verlangen, dass die Stromhandelsgeschäfte abgesichert werden. Der Bedarf an Sicherheiten und somit an Liquidität nimmt mit steigenden Strompreisen rasch zu. Fehlt es an der notwendigen und zeitgerechten Liquidität für diese Absicherungen, ist der Abschluss des Handelsgeschäfts und damit die Lieferung bzw. Versorgung gefährdet.

Mit den anhaltenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit den russischen Gaslieferungen und der damit verbundenen Gefahr von weiteren starken Preisausschlägen an den Gas- und Strommärkten sind bedeutende Risiken bei der Bereitstellung von Liquidität für die Handels- bzw. Absicherungsgeschäfte entstanden. Die Vorsteherin des eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) sprach deshalb in diesem Zusammenhang von einer ersten, weltweiten Energiekrise.

 

Eckwerte des Rettungsschirms

a) Als systemkritische Schweizer Stromunternehmen gelten jene, die einen signifikanten Anteil am inländischen Produktionspark und der Vermarktung dieses Stroms halten. Als Grundsatz gilt gemäss der Vorlage aktuell eine Kraftwerksleistung in der Schweiz von mindestens 1200 Megawatt. Darunter fallen die Axpo Holding AG, die Alpiq Holding AG sowie die BKW AG. Je nach dem könnten noch weitere Stromversorgungsunternehmen bestimmt werden.

Der Anstoss für den Rettungsschirm kam ursprünglich von der Alpiq Holding AG, die im Dezember 2021 aufgrund der massiven Preisaufschläge ein Gesuch um Liquiditätshilfe an den Bundesrat gestellt hatte – dieses dann aber zurückziehen konnte, weil die Aktionäre eingesprungen sind. Bekannt ist zudem, dass die BKW AG gegen ein solches Bundesgesetz ist und die Axpo Holding AG für eine freiwillige Unterstellung plädiert.

b) Die Finanzhilfe des Bundes ist subsidiär. Primär müssen die Unternehmen selber, die Eigentümer (Kantone, Gemeinden, Private) sowie die anderen Fremdkapitalgeber (Banken, Obligationäre, etc.) die Liquidität sichern.

c) Es könnten Darlehen von bis zu 10 Milliarden Schweizerfranken bereitgestellt werden, um die systemkritischen Stromunternehmen zu stützen. Im Gegenzug für die Darlehen unterliegen die Unternehmen bestimmten Auskunftspflichten und Transparenzvorschriften.

d) Die unterstellten Unternehmen bezahlen eine jährliche Bereitstellungspauschale, um die Kosten für die Bereitstellung der temporären Liquiditätsunterstützung durch den Bund mindestens teilweise zu decken.

e) Die Darlehen müssen marktgerecht verzinst werden. Zusätzlich erhebt der Bund einen Risikozuschlag, der je nach Risiko zwischen 4 und 10 Prozent beträgt, um Fehlanreize zu verhindern.

f) Die Kantone erstatten dem Bund die Hälfte allfälliger Verluste auf Darlehen. Im Gegenzug werden die Kantone zu 50 Prozent an den Einnahmen aus dem Risikozuschlag beteiligt.

g) Der Rettungsschirm ist nicht freiwillig: systemkritische Stromunternehmen sind per Gesetz unterstellt, um Kettenreaktionen bis hin zu einem Systemkollaps zu verhindern. Können solche Unternehmen auf eine kantonale Liquiditätsunterstützung zählen, die gleichwertig ist, können sie vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen werden.

 

Beratungen in den Räten

In der Sommersession 2022 hat der Ständerat als Erstrat die Gesetzesvorlage und die auf maximal zehn Milliarden Schweizerfranken beschränkte Finanzhilfe gutgeheissen. Voraussichtlich in der Herbstsession 2022 wird der Nationalrat über die Gesetzesvorlage beraten.

 

 

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