Steuerreform und AHV-Finanzierung 2019 (STAF)

 
Ein Beitrag von

Gerhard Roth
 

 

Einführung

Nachdem die Unternehmenssteuerreform III (USTR III) am 12. Februar 2017 an der Urne gescheitert war, wurde am 19. Mai 2019 die neue Steuervorlage, angereichert um eine Prise AHV Zusatzfinanzierung, angenommen. Nachfolgend erläutern wir die wichtigsten Änderungen und zeigen die sich daraus ergebenden neuen Handlungsoptionen auf.

Abschaffung Steuerprivilegien

Die ESTV hatte bereits vor der Abstimmung angekündigt, ihre Praxis betreffend Prinzipalgesellschaften und Schweizer Finanzbetriebsstätten (Swiss Finance Branches) per Ende 2019 aufzuheben. Aufgrund der Abstimmung vom 19. Mai 2019 werden die bisherigen kantonalen Steuerprivilegien der Holding-, Domizil- und gemischten Gesellschaften per 1. Januar 2020 nun ebenfalls abgeschafft. Damit gehören die bisher ganz oder teilweise steuerbefreiten Erträge sowie die deutlich tieferen Kapitalsteuersätze der betroffenen Gesellschaften der Vergangenheit an.

Step-up

Die bei einem Statuswechsel vorhandenen stillen Reserven inklusive des selbstgeschaffenen Mehrwerts (Goodwill), welche unter dem bisherigen Regime nicht steuerbar gewesen wären, werden mit Inkrafttreten der Vorlage durch die kantonalen Steuerverwaltungen auf Gesuch hin verbindlich festgesetzt. Bei einer Realisation (z.B. Verkauf) innert fünf Jahren werden diese stillen Reserven zu einem tieferen Sondersatz besteuert (Sondersatzlösung). Die kantonalen Sondersätze, soweit bekannt, variieren erheblich und liegen zwischen 1% und 13%. Damit wird die bisher in den meisten Kantonen noch angewandte steuerneutrale Aufdeckung der relevanten stillen Reserven in der Steuerbilanz mit anschliessender steuerwirksamer Abschreibung (sog. altrechtlicher Step-up) in Zukunft nicht mehr möglich sein. Im Gegenzug entfällt der Ausweis von latenten Steueraktiven (deferred tax assets).

Beim Zuzug eines Unternehmens aus dem Ausland können die stillen Reserven inkl. Goodwill steuerneutral aufgedeckt und in der Folge zulasten der Erfolgsrechnung abgeschrieben werden.

Patentbox

Auf kantonaler Ebene wird eine Patentbox eingeführt. Der Reingewinn, der auf Patente und vergleichbare Immaterialgüter entfällt, korrigiert um das Verhältnis zwischen eigenen F&E-Aufwendungen (zuzüglich Auftragsforschung) in der Schweiz zu den gesamten F&E-Aufwendungen, profitiert von einer Ermässigung (sog. Nexus-Ansatz der OECD). Die Kantone können bis zu 90% des entsprechenden Gewinns von der Gewinnsteuer befreien. Für die Patentbox qualifizieren Patente und vergleichbare Rechte, welche einem Patent zugänglich sind. Software hingegen kann nur insoweit von einer Patentbox profitieren, als dass sie Teil einer (ev. im Ausland) patentierbaren Erfindung ist.

Reduktion des kantonalen Steuersätze

Zur Erhaltung der Steuerattraktivität können die Kantone die Gewinnsteuersätze reduzieren sowie ausgewählte Aktiven privilegiert besteuern. Viele Kantone haben oder werden die Gewinnsteuersätze in sehr unterschiedlichem Umfang reduzieren.

Höhere Dividendenbesteuerung

Dividenden aus Beteiligungen von mindestens 10% werden bei natürlichen Personen privilegiert besteuert. Neu wird das Privileg sowohl betreffend Verfahren als auch in Bezug auf dessen Anwendungsbereich vereinheitlicht. Dividenden werden auf Stufe Bund einheitlich mit 70% in die Bemessungsgrundlage einbezogen (bisher: 50% bei Geschäftsvermögen bzw. 60% bei Privatvermögen). Für die Kantone gilt neu eine Untergrenze von 50%. Auch hier sind die Unterschiede beträchtlich (50%: NW, OW, SZ, ZG und ZH; 80%: BS).

Neue Vorgaben bei der Transponierung

Werden Beteiligungen vom Privatvermögen an Unternehmen verkauft, an welcher der Verkäufer zu mindestens 50% beteiligt ist (sog. Transponierung), ist künftig in jedem Fall (bisher nur bei Verkauf einer Beteiligung von mindestens 5%) abzuklären, ob die Steuerfreiheit eines daraus resultierenden Kapitalgewinns noch gegeben ist.

Zinsabzug auf Eigenkapital

Hochsteuerkantone können in Ausnahmefällen den Abzug eines fiktiven Zinses auf überschüssigem Eigenkapital zulassen. In der Literatur wird dabei auch von der sogenannten "zinsbereinigten Gewinnsteuer" gesprochen. Nach heutiger Ausgangslage werden von dieser Bestimmung nur Unternehmen mit Sitz im Kanton Zürich profitieren.

Neuerungen beim Kapitaleinlageprinzip

Mit der Unternehmenssteuerreform II im Jahr 2011 wurde die Möglichkeit geschaffen, Kapitaleinlagereserven (KER) steuerfrei an die Aktionäre auszuschütten. Die grossen Konzerne haben ausführlich davon Gebrauch gemacht. Diese exzessive Handhabung des Rechts hat nun (ein weiteres Mal) zu einer gesetzgeberischen Korrektur geführt.

Neu dürfen in der Schweiz börsenkotierte Unternehmen KER nur dann steuerfrei ausschütten, wenn sie mindestens in der gleichen Höhe eine steuerbare Dividende aus Gewinnreserve (Freie Reserve/Gewinnvortrag) ausbezahlen. Schüttet ein Unternehmen KER aus, ohne gleichzeitig die geforderte Dividende aus Gewinnreserven auszuschütten, verfällt die Steuerfreiheit auf der KER und zwar in dem Umfang, in welchem handelsrechtlich ausschüttbare übrige Reserven vorhanden gewesen wären. Sollte eine Unternehmung über keine sonstigen ausschüttungsfähigen Reserven verfügen, können KER ohne Einschränkung ausgeschüttet werden.

Pauschale Steueranrechnung für Betriebsstätten

Eine Erleichterung bring die STAF für schweizerische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen. Diese profitieren neu ebenfalls von der pauschalen Steueranrechnung. Bislang stand diese Möglichkeit nur Tochterunternehmen offen.

Ausgleich zugunsten der Kantone

Um die Folgen der reduzierten Steuereinnahmen für die Kantone abzumildern, erhalten diese neu einen um 4.2% höheren Entschädigungssatz. Ab dem 1. Januar 2020 leitet der Bund 21.2% der Direkten Bundessteuer an die Kantone weiter.

Und was geschieht bei der AHV?

Nachdem das Steuerpaket geschätzt CHF 2 Mia. pro Jahr kosten wird, hat sich in den politischen Verhandlungen auch für die AHV ein CHF 2 Mia. Paket durchgesetzt. Dieser Betrag fliesst massgeblich in drei Massnahmen:

  1. Der AHV Beitrag wird um 0.3% Lohnprozente erhöht;
  2. Der Demografie-Beitrag von 1%, welcher heute über die MWST erhoben wird, soll von dieser an die AHV übertragen werden;
  3. Der Bundesbeitrag an die AHV wird von 19.55% auf neu 20.2% angehoben.

Die Finanzierung dieser Beschlüsse ist unterschiedlich: Massnahme 1. bezahlen die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Massnahme 2. stellt eine Umverteilung dar und Massnahme 3. geht zu Lasten des (Bundes-)Steuerzahlers.

Fazit

Das Volk hat entschieden. Und es war wichtig, dass dieser Entscheid kam. Mit dem Resultat wird sich die Wirtschaft arrangieren können. Gerade KMU werden jedoch Mühe haben, die Vorlage auf ihre Verhältnisse optimal anzuwenden. Die Analyse dafür benötigt Zeit und Know-how.

Wir sind der Ansicht, dass sich der Aufwand dennoch lohnt. Je nach Art des Unternehmens und dessen Business Case können substantielle, nachhaltige Steuereinsparungen erzielt werden. Wir halten es dabei mit Helmut Schmidt, dem Altkanzler der Bundesrepublik Deutschland: "Jeder hat die Pflicht, Steuern zu zahlen, und das Recht, Steuern zu sparen".

 

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