Die neuen Verjährungsregeln ab 2020

 
Ein Beitrag von

Gerhard Roth

 

Vorgeschichte

Am 15. Juni 2018 hat das eidgenössische Parlament die Revision des Verjährungsrechts verabschiedet. Die Beratungen dazu dauerten über 10 Jahre. Auslöser waren einerseits die Fälle der Asbestopfer, welche teilweise in der Verjährung endeten, andererseits der "Gretzenbacher Fall" aus dem Jahr 2004, bei welchem die Geltendmachung bisher verdeckter Baumängel beim Einsturz einer Tiefgarage ebenfalls durch die Verjährung vereitelt wurde.

Neuerungen

Verjährungsfristen

Die Neuerungen betreffen das allgemeine Verjährungsrecht. Entgegen dem ursprünglichen Vorhaben des Bundesrats bleiben die Verjährungsregeln zum Kauf- und Werkvertragsrecht, zum Versicherungsvertrag und zur Produktehaftung unverändert.

Neu sind die Verjährungsregeln für Schadenersatz aus Köperverletzung und Tötung und zwar sowohl aus Vertrag, als auch aus unerlaubter Handlung. Die relative Verjährung beträgt dabei neu 3 Jahre (bisher 1 Jahr) ab Kenntnis des Schadens. Die absolute Verjährung verdoppelt sich von 10 auf 20 Jahre, gerechnet ab dem Datum der schädigenden Handlung. Alle übrigen Schadenersatzansprüche, welche nicht aufgrund einer Körperverletzung oder einer Tötung geltend gemacht werden, verjähren weiterhin nach 1 Jahr relativ (bei Widerrechtlich­keit) bzw. 10 Jahren (in besonderen Fällen 5 Jahren) absolut.

Verjährungshemmung

Neu wird den Parteien mit der Verjährungshemmung ein Instrument an die Hand gegeben, mit welchem sie für die Dauer von Vergleichsverhandlungen oder während aussergerichtlichen Verfahren die Verjährung stillstehen oder nicht beginnen lassen können. Diese Option stand bisher nicht zur Verfügung. Die Verjährungshemmung muss schriftlich vereinbart und unterzeichnet werden. Ein Austausch von Willenserklärungen via E-Mail genügt damit nicht.

Verjährungsverzicht

Der Verjährungsverzicht durch den Schuldner war bereits vor der Einführung der neuen Regeln das konfliktfreie Mittel, um die Wirkungen der Verjährung zu verhindern. Neu kann ein solcher Verzicht erst während laufender Verjährungsfrist, somit erst nach Fälligkeit der Forderung und für längstens 10 Jahre erklärt werden. Da nicht immer klar ist, wann eine Verjährungsfrist zu laufen beginnt, wird diese Bestimmung noch zu Diskussionen Anlass geben. Zudem muss auch der Verjährungsverzicht neu in Schriftform mit Unterschrift des Schuldners erklärt werden. Auch hier genügen Erklärungen per E-Mail nicht mehr.

Verjährungsunterbrechung

In diesem Bereich sind die vorgenommenen Änderungen marginal und betreffen ausschliesslich Solidarschuldverhältnisse. Neu gilt, dass die Verjährungsunterbrechung nur dann gegen sämtliche Solidarschuldner wirkt, wenn sie vom Gläubiger ausgeht. Unterbrechungshandlungen eines einzelnen Solidarschuldners, wie zum Beispiel eine Schuldanerkennung, wirken nur gegen diesen.

Exkurs: Verjährungsunterbrechung durch Betreibung

Ein Dauerbrenner der letzten Jahre sind die Fragen rund um die verjährungsunterbrechende Betreibung. Von besonderem Interesse ist hierbei die Betreibung, welche auf Antrag des Gläubigers dem Schuldner nicht zugestellt und in der Regel vom Gläubiger wieder zurückgezogen wird (sog. stille Betreibung).

Einigkeit herrscht über den Zeitpunkt der Verjährungsunterbrechung einer gültigen Betreibung. Massgebend ist das Datum der Postaufgabe des Betreibungsbegehrens durch den Gläubiger. Ebenfalls weitgehend unbestritten ist die Auffassung, dass die Verjährung auch dann unterbrochen wird, wenn der Schuldner von der Betreibung keine Kenntnis erhält. Gestritten wird jedoch über die Voraussetzungen, welche an den Begriff der "gültigen Betreibung" geknüpft werden. So wird argumentiert, dass der gleichzeitig mit dem Betreibungsbegehren eingereichte Rückzug desselben dieses nichtig werden lässt und es so nie zu einer Betreibung kam. Folglich liegt keine gültige Betreibung vor. Die Verjährung wird nicht unterbrochen.

Nach der hier vertretenen Auffassung schadet der Rückzug einer Betreibung durch den Gläubiger grundsätzlich nicht, wenn folgende vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  1. Die Betreibung wird nachweislich einzig zum Zweck der Verjährungsunterbrechung eingereicht;
  2. Der Schuldner hat vorgängig die Unterzeichnung einer Verjährungseinredeverzichtserklärung verweigert.
  3. Dem Gläubiger ist die sofortige und vollumfängliche Geltendmachung der Forderung nicht möglich.
  4. Der Rückzug der Betreibung wird nicht zeitgleich mit dem Betreibungsbegehren dem Betreibungsamt zugestellt.

Ist eine der vorstehenden Voraussetzungen nicht erfüllt, erreicht der Gläubiger sein Ziel der Verjährungsunterbrechung nur durch Einleitung einer Betreibung ohne Rückzug derselben oder durch Klageeinreichung.

Übergangsrecht

Die Regeln zum neuen Verjährungsrecht gelten ab dem 1. Januar 2020. Sie sind auch auf laufende Verjährungsfristen anwendbar, sofern die neuen Regeln eine längere Frist vorsehen, als die bisherigen. Bereits abgelaufene Verjährungsfristen werden indes nicht wiederhergestellt. Unter altem Recht abgegebene Verjährungsverzichte behalten ihre Gültigkeit, auch wenn sie nach neuem Recht formungültig wären.

 

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