Q4 2022 - Kenia

 

Ein Beitrag von

Stephan A. Hofer
Jil Suter

In Zusammenarbeit mit

Paras Shah
George Ndung'u

 

Kenia

 

Übersicht

2021 importierte die Schweiz insgesamt rund 13'500 Tonnen an Waren aus Kenia im Gesamtwert von ca. CHF 95 Millionen, während Exporte nach Kenia im Umfang von ca. 870 Tonnen und einem Gesamtwert von ca. CHF 99 Millionen erfolgte.

Wesentliche Importgüter aus Kenia sind Blumen (ca. CHF 33 Millionen), Kaffee, Tee und Gewürze (ca. CHF 40 Millionen), weitere pflanzliche Lebensmittel (ca. CHF 5 Millionen) sowie Edelsteine und Edelmetalle (ca. CHF 11 Millionen). Wesentliche Exportgüter nach Kenia sind pharmazeutische Erzeugnisse (ca. CHF 59 Millionen), Farbstoffe und weitere chemische Erzeugnisse (ca. CHF 6 Millionen), Maschinen und andere Instrumente (ca. CHF 12 Millionen).

Ungefähr 800 Schweizer Staatsangehörige leben in Kenia, während rund 1'400 kenianische Staatsangehörige in der Schweiz leben.

Kenia spielt für die politische Stabilität Ostafrikas eine wichtige Rolle. Es ist die führende Volkswirtschaft Ostafrikas. Aufgrund ihres Wirtschaftspotenzials gehört Kenia in der Subsahara-Strategie 2021–2024 des Bundesrats zu den «afrikanischen Löwinnenstaaten». Obwohl sich Kenias Wirtschaft diversifiziert hat, arbeiten nach wie vor rund 75% der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Besonders im Förderfokus steht der Ausbau der digitalen Dienstleistungen (IT services) - Kenia hat Avancen, sich als regionaler digitaler Hub für Ostafrika zu positionieren.

Ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Kenia ist aktuell in Verhandlung - das Datum eines möglichen Inkrafttretens ist nicht bekannt. Auch ein Investitionsschutzabkommen besteht aktuell nicht.

 

 

Von der Schweiz nach Kenia

Kenia bietet mannigfaltige Opportunitäten für Schweizer KMU, die in Kenia aktiv werden möchten oder bereits aktiv sind. Es darf jedoch nicht vergessen gehen, dass Kenia über eine andere Rechtsordnung verfügt, welche mit jener der Schweiz nur bedingt vergleichbar ist. Nachfolgend sollen einige Kernthemen nach kenianischem Recht angesprochen werden, die Schweizer Unternehmen unbedingt näher beleuchten sollten.

Ausländische Direktinvestitionen

Kenia begrüsst ausländische Investitionen, verfügt aber nicht über eine breite Palette von Sonderanreizen für Investoren aus dem Ausland. Die begrenzten Anreize, die zur Verfügung stehen, bestehen aus speziellen exportorientierten Programmen.

Ausländische Investitionen werden in allen Bereichen der Wirtschaft aktiv gefördert. Es gibt jedoch bestimmte Eigentums- und Kontrollbeschränkungen sowie Bewilligungspflichten, die für bestimmte Sektoren gelten, insbesondere bei Banken, Versicherungen, im Bergbau, der Telekommunikation und für Finanzintermediäre wie Broker, Fondsmanager und Investmentbanken.

Steuern

Einkünfte werden in Kenia besteuert, wenn sie in Kenia anfallen oder von Kenia aus erzielt werden, unabhängig von der steuerlichen Ansässigkeit des Geschäftspartners. Einkünfte, die ausserhalb Kenias erzielt werden, können auch in Kenia besteuert werden, wenn eine in Kenia ansässige natürliche Person ausserhalb Kenias ein Arbeitseinkommen erzielt und wenn eine in Kenia ansässige Person ihr Geschäft teilweise in Kenia und teilweise ausserhalb Kenias betreibt.

Ein Unternehmen, das in Kenia steuerlich ansässig ist, wird auf seine Geschäftsgewinne mit 30 % besteuert, während auf ein Unternehmen, das nicht in Kenia steuerlich ansässig ist, aber eine ständige Niederlassung in Kenia hat, eine Gewinnsteuer von 37.5 % Anwendung findet.

Die Quellensteuer wird auf eine Vielzahl von Zahlungen sowohl an Ansässige als auch an Gebietsfremde erhoben, z.B. auf Managementgebühren, technische oder professionelle Gebühren, Lizenzgebühren, Beratungs- und Vermittlungsgebühren sowie auf Versicherungs- und Rückversicherungsprämien, die an Ausländer gezahlt werden (mit Ausnahme von Prämien für Luftfahrtversicherungen). Der Quellensteuersatz auf die Zahlung von Dividenden an Gebietsfremde beträgt 15 % (5 % für in Kenia ansässige Personen), der Satz auf Zinszahlungen liegt generell bei 15 %. Abweichende Quellensteuersätze gelten für Management Fees, Lizenzgebühren und andere Dienstleistungszahlungen an Gebietsfremde.

Das Mehrwertsteuergesetz von 2013 erhebt die Mehrwertsteuer auf verschiedene Lieferungen von Waren und Dienstleistungen in Kenia, darunter auch auf Geschäfte, die über das Internet oder ein elektronisches Netzwerk einschliesslich eines digitalen Marktplatzes abgewickelt werden. Die Änderung des Mehrwertsteuergesetzes von 2022, die am 1. Juli 2022 in Kraft getreten ist, führte ausserdem zu einer Änderung der mehrwertsteuerlichen Behandlung von exportierten Dienstleistungen, welche nun nicht mehr steuerbefreit sind, sondern zum Normalsatz (16 %) besteuert werden (mit Ausnahme des Exports von steuerpflichtigen Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Outsourcing von Geschäftsprozessen, für die der Nullsatz gilt).

Landerwerb

Beschränkungen gelten für Unternehmen, die (durch Pacht oder Kauf) landwirtschaftliche Flächen besitzen. Unternehmen mit Beteiligten, welche nicht allesamt die kenianische Staatsangehörigkeit besitzen, sind vom Erwerb von Agrarland ausgeschlossen (unter Vorbehalt der Erteilung einer präsidialen Ausnahmegenehmigung). Sicherheiten für Grundstücke können durch die Hinterlegung von Eigentumsurkunden bei der gesicherten Partei oder durch eine Grundschuld gestellt werden.

Grundpfandrechte müssen in einer vorgeschriebenen Form vorliegen. In bestimmten Fällen, z.B. bei

Grundpfandrechten oder landwirtschaftlichen Grundstücken, kann vor der Bestellung des Grundpfandrechts die Zustimmung Dritter erforderlich sein. Ein Grundpfandrecht muss beim zuständigen Grundbuchamt eingetragen werden und wird erst mit der Eintragung wirksam. Ist der Grundpfandrechtsgläubiger ein in Kenia eingetragenes Unternehmen, muss das Grundpfandrecht auch im Gesellschaftsregister registriert werden. Grundpfandrechte, die von einem ausländischen Unternehmen mit Geschäftssitz in Kenia auf in Kenia gelegene Vermögenswerte bestellt werden, müssen innerhalb von 21 Tagen beim Gesellschaftsregister angemeldet werden.

Ansiedlung

Ausländische Arbeitnehmer müssen vor Aufnahme ihrer Tätigkeit in Kenia eine Arbeitsbewilligung einholen. Nach den kenianischen Einwanderungsgesetzen ist der Arbeitgeber verpflichtet, für jeden ausländischen Staatsangehörigen, der im Land arbeiten möchte, eine entsprechende Arbeitsbewilligung (oder einen Sonderausweis) einzuholen. Nach dem Immigration Act von 2011 macht sich jede Person strafbar, die einen ausländischen Staatsangehörigen in einer Funktion beschäftigt, für die dieser nicht zugelassen ist.

Bei der Erteilung von Arbeitsbewilligungen wird in erster Linie berücksichtigt, ob die Anwesenheit des Ausländers im gesamtwirtschaftlichen Interesse von Kenia ist. Im Jahr 2019 hat die Einwanderungsbehörde eine neue Praxis eingeführt, die darauf abzielt, kenianische Arbeitsplätze kenianischen Staatsangehörigen vorzubehalten, um sicherzustellen, dass die kenianische Wirtschaft von entsprechend ausgebildeten, geeigneten kenianischen Bürgern getragen wird.

 

Anerkennung ausländischen Rechts

Nach ausländischem Recht geschlossene Verträge werden in Kenia anerkannt und sind vollstreckbar. Ausländische Urteile sind nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit vollstreckbar. Um vollstreckbar zu sein, muss das ausländische Urteil aus einem Land stammen, mit dem Kenia ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen geschlossen hat (ein solches besteht mit der Schweiz indes nicht). Die Anerkennung ausländischer Urteile erfolgt nicht automatisch, sondern im Einzelfall durch Urteil des High Court of Kenya. Das New Yorker Übereinkommen ist auf die Anerkennung internationaler Schiedsurteile anwendbar, einschliesslich der Gründe für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung solcher Schiedsurteile.

Vollstreckung

In den Bedingungen eines Schuldbriefs wird in der Regel das Vollstreckungsverfahren festgelegt, wenn eine Schuldverschreibung oder ein Grundpfandrecht zur Begründung eines Sicherungsrechts verwendet wird. Bei Grundpfandrechten kann der Sicherungsnehmer verschiedene Vollstreckungsmassnahmen ergreifen, z.B. den geschuldeten Betrag einklagen, einen Zwangsverwalter für die Einkünfte aus dem Grundstück bestellen, das Grundstück verpachten, es in Besitz nehmen oder das Grundstück durch einen privaten Vertrag oder eine öffentliche Versteigerung verkaufen.

Für Unternehmen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, stehen ebenfalls verschiedene Insolvenzverfahren zur Verfügung, z.B. Nachlassverfahren und freiwillige Übereinkünfte mit Gläubigern.

In Kenia ist die gängigste Form der Streitbeilegung der Rechtsstreit vor Gericht. Der High Court of Kenya hat unbeschränkte Kognition und Zuständigkeit für alle zivilrechtlichen Angelegenheiten, einschliesslich aller Handelsstreitigkeiten.

 

Von Kenia in die Schweiz

Die Schweiz bietet als Garantin von Stabilität und mit einem kleinen, aber vergleichsweise wohlhabenden Markt einen attraktiven Standort für Niederlassungen ausländischer Unternehmen für ihre Aktivitäten in Europa. Nachfolgend sollen einige Kernthemen nach Schweizer Recht angesprochen werden, die kenianische Unternehmen unbedingt näher beleuchten sollten. In dieser Ausgabe fokussieren wir auf steuerliche Fragestellungen, die sich für ein kenianisch beherrschtes Unternehmen in der Schweiz stellen, sowie zu Schweizer Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen für kenianische Staatsangehörige.

Ausländische Direktinvestitionen

Die Schweiz heisst ausländische Investoren willkommen und sieht aktuell keine Restriktionen für ausländische Direktinvestitionen vor. Kenianische Unternehmen können ein Unternehmen in der Schweiz gründen oder übernehmen.

Zu einer Gründung oder Übernahme bieten sich Aktiengesellschaften (AG) oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) an, da sie eine (indirekte) Beherrschung durch den Eigentümer erlauben. Die Schweizer Aktiengesellschaft ist kapitalbezogen und stellt einen weit verbreiteten Unternehmenstyp dar. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann, muss aber nicht, personenbezogen gestaltet werden, und ist ein weit verbreiteter Unternehmenstyp für kleinere Unternehmen, soweit nicht ausnahmsweise aus Gründen des ausländischen Steuerrechts eine Schweizer GmbH gegenüber einer AG bevorzugt wird. Das Mindestkapital einer GmbH beträgt CHF 20'000, während eine AG ein Mindestkapital von CHF 100'000 aufweisen muss, wovon mindestens 50% einbezahlt sein müssen.

Allgemeines zu Unternehmenssteuern

Personen, deren Sitz oder tatsächliche Verwaltung in der Schweiz liegt, sind in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig. Eine beschränkte Steuerpflicht besteht für juristische Personen, deren Sitz im Ausland ist, jedoch über bestimmte wirtschaftliche Anknüpfungspunkte in der Schweiz (bspw. Kapital, Einkommensquellen) verfügt.

Steuern werden sowohl auf Bundes- wie auch auf Kantons- und Gemeindeeben erhoben. Die Bundessteuern sind in der gesamten Schweiz einheitlich geregelt. Demgegenüber besitzt jeder der 26 Kantone sein eigenes Steuergesetz. Entsprechend sind je nach Wohnort resp. Sitz der Gesellschaft erhebliche Unterschiede in der Steuerbelastung möglich (bspw. Gewinnsteuer je nach Sitz der Gesellschaft zwischen 11.7-21.6%).

Neben den hiervor erwähnten direkten Steuern kennt das Schweizer Steuersystem auch indirekte Steuern. Die wohl wichtigste indirekte Steuer ist die MWST, welche derzeit 7.7% beträgt. Erhoben wird sie lediglich bei inländischen Leistungen sowie Importen, nicht jedoch bei Exportleistungen (Waren oder Dienstleistungen).

Die Verrechnungssteuer im Speziellen und der Schädlichkeit des Fehlens eines Doppelbesteuerungsabkommens

Die Verrechnungssteuer ist eine vom Bund an der Quelle erhobene Steuer auf dem Ertrag des beweglichen Kapitalvermögens. Als Sicherungssteuer ausgestaltet soll die Verrechnungssteuer den Empfänger der steuerbaren Leistung veranlassen, die erzielten und mit der Steuer zu belasteten Erträge anzugeben.

Der Zweck der Steuer begründet auch die Höhe der Verrechnungssteuer – 35% der beweglichen Kapitalerträge.

Hauptanwendungsfall der Verrechnungssteuer sind Dividendenerträge. Daneben werden Verrechnungssteuern auf Gewinnen aus Geldspielen, bestimmten Versicherungsleistungen und Zinsen aus Anleihensobligationen erhoben. Keine Steuer fallen auf Zinsen aus Einzeldarlehen, Garantien oder Bürgschaften an.

Werden die Verrechnungssteuern ordnungsgemäss deklariert, erfolgt bei Inländern im Regelfall eine Rückerstattung. Die Rückerstattung an ausländische Leistungsempfänger ist hingegen nur möglich, wenn zwischen der Schweiz und dem entsprechenden Ansässigkeitsstaat ein Doppelbesteuerungsabkommen ("DBA") besteht und dieses eine ganze oder teilweise Rückerstattung vorsieht. Doppelbesteuerungsabkommen vermeiden die Doppelbesteuerung sowohl von natürlichen wie auch juristischen Personen mit internationalen Anknüpfungspunkten, indem sie das Besteuerungsrecht einem Staat zuteilen.

Derzeit besteht kein DBA zwischen der Schweiz und Kenia. Daher können bspw. Verrechnungssteuern von kenianischen Muttergesellschaften oder Eigentümern mit Wohnsitz in Kenia weder ganz noch teilweise zurückgefordert werden. Es bleibt zu hoffen, dass mit wachsender wirtschaftlicher Verknüpfung der Länder auch ein DBA geschlossen wird, da im aktuellen Kontext für eine kenianische Muttergesellschaft die Verrechnungssteuer aufgrund der fehlenden Rückforderbarkeit keine Sicherungssteuer darstellt, sondern eine finale Steuer. Die so resultierende Gesamtsteuerbelastung macht direkt durch Personen mit Sitz oder Wohnsitz in Kenia gehaltene Schweizer Gesellschaften wirtschaftlich unattraktiv. Die Errichtung einer Tätigkeitsstruktur eines kenianischen Unternehmens bedarf daher auch aus einer steuerlichen Optik einer sorgfältigen Planung und Vorbereitung.

Ansiedlung von kenianischen Staatsangehörigen mit Erwerbstätigkeit

Der Aufenthalt in der Schweiz bedingt grundsätzlich eine Aufenthaltsbewilligung, sofern er länger als drei Monate dauert. Wird der Aufenthalt in der Schweiz mit einer Erwerbstätigkeit kombiniert, wird zusätzlich eine Arbeitsbewilligung vorausgesetzt. Für bestimmte Staatsangehörige, Privatpersonen und Tätigkeiten gilt die Bewilligungspflicht jedoch bereits ab Einreise bzw. Aufnahme der Tätigkeit.

In jedem Fall bedingt der Aufenthalt in der Schweiz die Verlegung des Lebensmittelpunktes in die Schweiz.

Kenianische Staatsangehörige gelten als Drittstaatsangehörige ausserhalb der EU/EFTA. Die Zulassung von kenianischen Staatsangehörigen zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ist eine reine Elite-Immigration. Zugelassen werden nur Führungskräfte, Spezialisten und andere qualifizierte Arbeitskräfte. Die Zulassung wird nur erteilt, wenn dies dem gesamtwirtschaftlichen Interesse entspricht und ein entsprechendes Gesuch des zukünftigen Schweizer Arbeitgebers vorliegt. Weitere Voraussetzungen für die Erteilung einer Arbeitsbewilligung sind Nachweise über die Einhaltung der branchen- und ortsüblichen Arbeits- und Lohnbedingungen, über die Wohnsituation und die Möglichkeit einer erfolgreichen Integration in den Schweizer Arbeitsmarkt und in das gesellschaftliche Umfeld. Verlangt wird zudem ein Nachweis, dass die betreffende Stelle weder mit einem Schweizer noch mit einem Staatsangehörigen der EU/EFTA Staaten besetzt werden konnte (sog. Inländervorrang). Sind die vorangehenden Voraussetzungen erfüllt, kann eine zahlenmässig kontingentierte Aufenthaltsbewilligung beantragt werden.

Die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durch einen Drittstaatangehörigen bedingt den Nachweis über die effektive Selbständigkeit. Weiter muss nachgewiesen werden, dass die finanziellen Mittel aus Erwerbseinkommen und Vermögen ausreichen, um den Betriebs- und Lebensunterhalt zu bestreiten. Mit dem Gesuch muss u.a. ein detaillierter Businessplan eingereicht werden. Die selbständige Tätigkeit muss weiter im gesamtwirtschaftlichen Interesse stehen (z.B. Schaffung von Arbeitsplätzen), weiter muss der selbständig Erwerbende die persönlichen Voraussetzungen erfüllen (u.a. Integration in das gesellschaftliche Umfeld, Nachweis über die Wohnsituation, etc.). Auch die selbständige Tätigkeit unterliegt einem zahlenmässigen Kontingent.

Je nach Ausgangslage müssen sich kenianische Staatsangehörige in der Schweiz integrieren. Zu den Integrationskriterien gehören u.a. Kenntnisse einer Landessprache am Wohn- bzw. Erwerbsort. Die Behörden können den Gesuchsteller u.a. verpflichten, entsprechende Sprachkenntnisse während des Aufenthaltes zu erwerben.

 

Aus der Praxis

Die rechtlichen Voraussetzungen für interkontinentale Geschäftsbeziehungen zu kennen, ist nur eine Seite der Medaille. Mindestens ebenso wichtig ist es, sich auf den lokalen Alltag einzulassen und mit den Besonderheiten und Gepflogenheiten umgehen zu können.

Wir haben Joel Lehmann zum Interview getroffen und ihn nach seinen Eindrücken gefragt. Joel Lehmann ist Geschäftsführer bei der EQUAM Stiftung in Zürich und Mitinhaber der Infospective Research Ltd. in Nairobi.

 

Stellen Sie sich unseren Lesern kurz vor?

Ich bin ein 43-jähriger Spezialist für Daten und Qualität im Gesundheitswesen, Kleinunternehmer, Familienvater und Liebhaber der Philosophie und Sozialpsychologie (nebst vielen anderen Dingen natürlich).

Was ist Ihre Tätigkeit und wie kam es dazu, dass Sie die Brücke zwischen der Schweiz und Kenia geschlagen haben?

Ich arbeite in meiner Haupttätigkeit als Geschäftsführer der EQUAM Stiftung, einer kleinen Schweizer Nonprofit-Organisation mit grosser Wirkung, welche in der ambulanten Gesundheitsversorgung – insbesondere für Hausarztpraxen – in der Schweiz Qualitätszertifizierungen verleiht. Ausserdem unterstützen wir Innovationen in der Qualitätsförderung. Nebenamtlich unterstütze ich freiberuflich in der Schweiz Akteure im Gesundheitswesen zum Thema "Patientenberichtete Daten" und engagiere mich für Value-Based Healthcare (VBHC).

Von 2007-2019 lebte ich in Nairobi. Meine kenianische Frau habe ich an der Uni Fribourg im Studium kennengelernt, und sie hat mich zum Glück davon überzeugt, sofort nach dem Studium in diese spannende Metropole zu ziehen. Im Jahr 2013 – nachdem ich einige Jahre für eine grosse Marktforschungsfirma gearbeitet hatte – gründete ich die Beratungsfirma Infospective Research Ltd., deren Entwicklung und Wachstum ich auch weiterhin unterstütze. Auch bei der Infospective Research Ltd. geht es um die Verwendung von Daten im Gesundheitswesen und vermehrt um die Einbindung der Patientenperspektive. Bisher hatten wir uns vor allem auf Daten auf dem afrikanischen Kontinent konzentriert. In der näheren Zukunft möchten wir Dienstleistungen auch in Europa anbieten. Wir sehen hier einen Bedarf für gute und erschwingliche Datenanalyse und Visualisierung im Gesundheitswesen.

Was gefällt Ihnen besonders an dieser Tätigkeit, wo sehen Sie die grössten Chancen?

Mir gefällt die Komplexität des Gesundheitswesen und dass es – insbesondere für kooperativ eingestellte Menschen – überall sehr viel Verbesserungspotential gibt. Dabei ist die Situation in Kenia und in der Schweiz gar nicht so unterschiedlich, wie die meisten Leute (besonders hier in der Schweiz) denken. Mir gefällt besonders, dass ich die Philosophie des VBHC parallel in beiden Ländern unterstützen und explorativ umsetzen kann. Die grössten Chancen sehe ich in der gegenseitigen Befruchtung und dem übergreifenden Lernen dazu, wie man beschränkte Ressourcen und intelligente Datenanalyse für eine qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung optimal einsetzen kann.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen und Verbesserungspotentiale?

Wir brauchen bessere Kooperation auf Augenhöhe. In der Schweiz ist meine Erfahrung, dass "Kooperation" mit einem Land auf dem afrikanischen Kontinent verstanden wird als "wir müssen helfen, da wir in der Schweiz weiter entwickelt sind und es daher besser können und wissen". Dieses Verständnis wird zwar selten explizit geäussert, schwingt aber als implizite Grundannahme in Konversationen und Projekten mit - bewusst oder unbewusst. Diese Grundannahme ist falsch und eine Manifestation von strukturellem Rassismus. Das Talent und die Motivation, welche ich in beiden Ländern erlebe, ist auf Augenhöhe und bietet hohes Kombinationspotential mit Mehrwert. In der Schweiz ist Kontinuität vielleicht etwas eine grössere Stärke, während in Kenia die Anpassungsfähigkeit besser entwickelt ist.

Was sollte man Ihrer Meinung nach unbedingt bedenken, wenn man zwischen der Schweiz und Kenia unternehmerisch tätig ist?

Wenn man - wie ich – im Bereich der spezialisierten Dienstleistungen tätig ist, fällt sicher der riesige Unterschied in den Löhnen ins Auge. In Kenia erhält man oft sehr guten "value for money", gerade wenn es beispielsweise um das Thema Daten geht - ein Thema welches ja von der Sprache her ziemlich neutral ist. Daher denke ich, dass wir in naher Zukunft damit beginnen werden, (remote) Dienstleistungen in die Schweiz zu exportieren. In Kenia gibt es aber einige ärgerliche steuerliche Hürden, wie z.B. eine Quellensteuer von 20% für aus dem Ausland bezogene Dienstleistungen oder die erst gerade Mitte 2022 eingeführte Pflicht zur Erhebung der kenianischen Mehrwertsteuer auf exportierte Dienstleistungen, welche kenianische Dienstleistungen für ausländische Kunden vom einen Tag auf den anderen um 16% verteuert hat. Solche Gesetze reduzieren die Attraktivität von Kenia als Geschäftsstandort für internationale Dienstleistungen. Ich denke aber, dass dies in der Zukunft auf die eine oder andere Art wieder korrigieren wird.

Jede Ausgabe des GHR beyond ist interkontinental, aber auch sehr lokal. Inhalte bereiten wir stets mit einem unserer lokalen Partner auf, mit welchem wir bei rechtlichen Themen mit Lokalbezug zusammenarbeiten. Wir danken unseren Partnern herzlich für diesen Effort und die Möglichkeit, interkontinentale Brücken mit lokaler Expertise diesseits und jenseits zu bauen.

Diese Ausgabe des GHR beyond - Africa Edition wurde von nachfolgenden Autoren und Anwaltskanzleien erstellt. Melden Sie sich jederzeit bei den Autoren, wenn Fragen offengeblieben sind oder Sie weitere Informationen zu einem bestimmten Thema benötigen.

 

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