Oktober 2019 - Kapitalabfindung des Arbeitnehmers - steuerfrei?

 

Ein Beitrag des GHR Tax Team

Gerhard Roth
Regina Schlup Guignard

 

Einleitung

Kapitalabfindungen des Arbeitnehmers können verschiedene Gründe haben. Das Arbeitsrecht sieht eine zwingende Abgangsentschädigung vor, wenn ein Arbeitsverhältnis eines über 50-jährigen Arbeitnehmers mit 20 Dienstjahren endet. Vertraglich kann jedoch auch unabhängig vom Alter oder von der Anzahl Dienstjahren eine Abgangsentschädigung vereinbart werden. Dies ist oft bei Führungskräften der Fall und wird auch als "goldener Fallschirm" bezeichnet. Unter bestimmten Umständen werden solche Abfindungen privilegiert besteuert oder sind sogar steuerfrei.

 

Grundsatz

Kapitalabfindungen des Arbeitgebers stellen grundsätzlich steuerbares Einkommen dar, welches zusammen mit den übrigen Einkünften besteuert wird. Da der Steuersatz der Einkommenssteuer progressiv ist, erhöht eine Kapitalabfindung den auf das gesamte steuerbare Einkommen anwendbaren Steuersatz. Je nach Wohnsitz des Arbeitnehmers kann der Steuersatz aufgrund dieses Progressionseffektes auf bis zu 44 % ansteigen.

 

Kapitalabfindung für periodische Leistungen

Bezahlt der Arbeitgeber eine Kapitalabfindung für wiederkehrende Leistungen (z.B. weil in der Vergangenheit zu wenig Lohn bezahlt wurde) oder für künftige, entgehende Einkünfte (z.B. Entschädigung für den Verzicht der Ausübung einer konkurrenzierenden Tätigkeit), kann unter Umständen der Rentensatz zur Anwendung gelangen. Mit diesem wird der Progressionseffekt gemildert, indem die Kapitalleistung auf diejenigen Perioden aufgeteilt wird, für welche die Kapitalleistung erfolgt. Anschliessend wird nur der Betrag der entsprechenden Steuerperiode zusammen mit den übrigen Einkünften besteuert. Da die Anwendung des Rentensatzes den Steuersatz reduziert, wird dieser von der Steuerverwaltung nur restriktiv genehmigt. So stellen z.B. Kapitalleistungen für eine berufliche Neuorientierung des Arbeitnehmers eine Einmalleistung und nicht eine Abgeltung für zukünftige wiederkehrende Leistungen dar, weshalb der Rentensatz nicht anwendbar ist.

 

Kapitalabfindung mit Vorsorgecharakter

Haben Kapitalabfindungen des Arbeitgebers Vorsorgecharakter, werden sie steuerlich doppelt privilegiert: Zum einen werden sie separat von den übrigen Einkünften besteuert, womit die Progression erheblich gemildert wird, zum anderen ermässigt sich der separat ermittelte Steuerbetrag um 80% (sog. Vorsorgetarif).

Hat der Arbeitnehmer Wohnsitz im Ausland, wird die Kapitalabfindung an der Quelle besteuert. Sofern ein Doppelbesteuerungsabkommen anwendbar ist, wird die Quellensteuer zinslos zurückerstattet, wenn innerhalb von drei Jahren ein entsprechender Antrag gestellt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Kapitalabfindung im Wohnsitzstaat besteuert wird oder nicht. So können Konstellationen entstehen, in welchen die Kapitalabfindungen steuerfrei sind. Unter gewissen Umständen steuerfrei ist weiter eine Abgangsentschädigung, welche der Arbeitgeber direkt in die Pensionskasse des Arbeitnehmers bezahlt. Sieht das Vorsorgereglement zudem Einkäufe in den vorzeitigen Altersrücktritt vor, wären auch solche Zahlungen steuerfrei.

Bezahlt der Arbeitgeber die Abgangsentschädigung direkt an den Arbeitnehmer, wird der Vorsorgetarif nur angewendet, wenn der Arbeitnehmer mindestens 55 Jahre alt ist, die Erwerbstätigkeit definitiv aufgibt und aufgrund einer vorzeitigen Pensionierung eine Vorsorgelücke entsteht. Die Anwendung des Vorsorgetarifs auf eine Entschädigung für einen bereits bestehenden Einkaufsbetrag ist in diesem Fall nicht möglich.

 

Empfehlung

Kapitalzahlungen bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses können aus mannigfachen Gründen erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass Entschädigungen wegen vorzeitiger Vertragsauflösung, bei Änderung von Unternehmenseignern, für die Einhaltung von Konkurrenzverbotsklauseln, für eine berufliche Neuorientierung oder für Vorsorgezwecke je nach konkreter Ausgestaltung beim Arbeitnehmer bzw. Leistungsempfänger zu unterschiedlichen Steuerfolgen führen können. Bei der konkreten Ausgestaltung einer schriftlichen Vereinbarung über eine Kapitalabfindung sind deshalb die Steuerfolgen für den Arbeitnehmer zu beachten.

 

Artikel als PDF herunterladen