November 2019 - Photovoltaikanlagen - nun doch nicht Bestandteil der Liegenschaft

 

Ein Beitrag des GHR Tax Team

Gerhard Roth
Regina Schlup Guignard

 

Einführung

Mit der Energiewende geht ein Boom beim Bau von Photovoltaikanlagen ("PVA") einher. Es wird im Eigenheimberiech kaum mehr ein Neubau ohne entsprechende Anlage realisiert. Dabei wird grundsätzlich zwischen Aufdach- und Indachanlagen unterschieden. Erstere werden auf ein bestehendes Dach montiert, wogegen zweitere die Schutzfunktion des Daches selbst wahrnehmen. Der von diesen Anlagen erzeugte und eingespiesene Strom wird von den Elektrizitätswerken vergütet.

Die PVA wurden bisher als unbewegliches Vermögen qualifiziert und im Rahmen des amtlichen Wertes der Liegenschaft erfasst. Dies führte regelmässig auch zu einer Erhöhung des Eigenmietwerts. Die Einspeisevergütung wurde als Einkommen aus unbeweglichem Vermögen besteuert. All das gilt für Aufdachanlagen nicht mehr.

 

Die Korrektur durch das Bundesgericht

Für Aufdachanlagen – und nur für diese – hat das Bundesgericht in zwei Urteilen vom 16. September 2019 die Frage der Steuerfolgen geklärt. Der Entscheid wurde von der Steuerverwaltung des Kantons Bern ausgelöst, welche sich gegen ein Urteil des Bernischen Verwaltungsgerichts zur Wehr gesetzt hatte.

Besteuerung der Aufdachanlagen (Vermögenssteuer)

Verschiedene Kantone, darunter auch Bern, haben bisher Aufdachanlagen als Bestandteil der Liegenschaft qualifiziert. Dementsprechend wurden die Anlagen im Rahmen der Festsetzung des amtlichen Werts der Liegenschaft, welcher der Vermögenssteuer unterliegt, werterhöhend berücksichtigt. Dies führte aufgrund der gängigen Berechnungsformel auch zu einer Erhöhung des Eigenmietwerts der Liegenschaft.

Das Bundesgericht hat die Bestandteileigenschaft von Aufdachanlagen verneint. Sie stellen somit nicht mehr unbewegliches, sondern bewegliches Vermögen dar. Daran änderte auch die Argumentation des Kantons Bern nichts, welcher sich auf den Standpunkt stellte, dass jene Objekte zum unbeweglichen Vermögen gehören, deren Kosten als Unterhaltskosten abziehbar sind. Dieser Umkehrschluss wurde als nicht zulässig qualifiziert.

Die bundesgerichtliche Einschätzung hat für die Steuerpflichtigen positive, möglicherweise aber auch negative Konsequenzen. Positiv ist, dass mit der Umqualifikation der Anlage in bewegliches Vermögen die Erhöhung des Eigenmietwertes wegfällt. Negativ könnte allenfalls die Bewertung der Anlage für die Vermögenssteuer ausfallen. Im Rahmen der amtlichen Bewertung kann unbewegliches Vermögen bis zu 30 % unter dem Verkehrswert steuerlich festgesetzt werden. Eine solche Reduktion entfällt für bewegliches Vermögen. Die Vermögenssteuer könnte somit marginal steigen.

Besteuerung des Solarstroms (Einkommenssteuer)

Mit der Umqualifikation der Aufdachanlage in bewegliches Vermögen kann der mit der Anlage gewonnene Solarstrom auch nicht mehr als Einkommen aus unbeweglichem Vermögen erfasst werden.

Erfolgt die Nutzung der Anlage gewerbsmässig, stellt der Erlös aus der Stromproduktion Einkommen aus selbständiger (Neben-)Erwerbstätigkeit dar. Erfolgt die Stromerzeugung nicht kommerziell, wird der Ertrag daraus als ordentliches, allgemeines Einkommen erfasst. Die Bundesgerichtsentscheide äussern sich nicht zur Frage der Sozialversicherungsabgaben. Aufgrund der Qualifikation als selbständiges oder ordentliches Einkommen ist diese Thematik ebenfalls im Auge zu behalten.

Empfehlung

Der Kanton Bern hat in einer Medienmitteilung vom 25. Oktober 2019 über die Urteile informiert und eine neue Praxis zur Besteuerung von Aufdachanlagen in Aussicht gestellt.

Es ist sehr zu hoffen, dass die Kantone die beiden Bundesgerichtsurteile zum Anlass nehmen, eine moderate, sachgerechte Besteuerung von Aufdachanlagen und dem daraus gewonnenen Strom zu finden. Das Parlament hat 2018 das neue Energiegesetz in Kraft gesetzt und damit die Energiestrategie 2050 des Bundesrats angenommen. Diese stützt sich in erheblichem Umfang auf die Initiative der Bevölkerung zur Produktion von Strom aus erneuerbaren Quellen. Es wäre nicht zu verstehen, wenn die kantonalen Steuerverwaltungen diese Bestrebungen mit einer rigiden Besteuerung von Solaranlagen aushebelten.

 

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