Mai 2022 - Indirekte Teilliquidation – ein Phänomen mit dem Potential zum Evergreen

 

Ein Beitrag von

Gerhard Roth 
Jil Suter

 

Einführung

Verwendet die Käuferin eines Unternehmens dessen vorbestehende Substanz für die Finanzierung des Kaufpreises, muss dem Phänomen der indirekten Teilliquidation erhöhte Beachtung geschenkt werden. Soweit, so klar.

Die Rechtsprechung zur indirekten Teilliquidation entwickelt sich laufend fort. Das Bundesgericht hat sich in seinem Entscheid vom 19. November 2021 erneut mit dieser Frage befasst. Ein Evergreen in Neuauflage.

 

Zur Auffrischung: Indirekte Teilliquidation

Werden im Privatvermögen gehaltene Aktien veräussert, erzielt der Verkäufer in der Regel einen steuerfreien Kapitalgewinn. Diese Steuerfreiheit entfällt, wenn:

  • eine qualifizierte Beteiligung von mind. 20% des Grund oder Stammkapitals vorliegt;
  • die Beteiligung vom Privat ins Geschäftsvermögen wechselt (Systemwechsel);
  • innert einer Frist von 5 Jahren nach Verkauf handelsrechtlich ausschüttbare, nicht betriebsnotwendige Substanz direkt oder indirekt für die Finanzierung des Kaufpreises verwendet wird;
  • der Verkäufer bei der Strukturierung mitwirkt.

Liegt eine indirekte Teilliquidation vor, erzielt der Verkäufer anstelle eines steuerfreien Kapitalgewinns einen steuerbaren Kapitalertrag.

Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung wollen mit der indirekten Teilliquidation verhindern, dass latentes, steuerbares Dividendensubstrat durch den Verkauf in einen steuerfreien Kapitalgewinn umgewandelt und damit dem Fiskus entzogen wird.

 

Die Präzisierung: Bundesgerichtsurteil

Im Entscheid vom 19. November 2021 hatte sich das Bundesgericht mit den Anforderungen an die Mitwirkung des Verkäufers auseinanderzusetzten.

Die Brüder A und B besassen je 50% der Aktien der C. AG. Nach dem Tod von B wurden dessen Erben Eigentümer seiner Aktien. Sein Bruder A gründete daraufhin die E. AG, in welche er seine Beteiligung an der C. AG einbrachte.

Die Erben verkauften daraufhin ihre Aktien der C. AG an die E. AG. Rund eineinhalb Jahre später schüttet die C. AG eine Substanzdividende an die E. AG aus.

Die Steuerverwaltung des Kantons Wallis sah darin eine indirekte Teilliquidation und veranlagte die Erben im Nachsteuerverfahren für den Kapitalertrag. In ihrer Einsprache und Beschwerde argumentierten die Erben, dass sie bei der Mittelentnahme nicht mitgewirkt hätten.

Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab und bejahte die Mitwirkung der Erben. Ob ein relevantes Zusammenwirken von Käufer und Verkäufer vorliegt, ist danach anhand der gesamten für die Finanzierung massgebenden Umstände zu entscheiden. Insbesondere betonte das Bundesgericht, dass der Verkäufer sich darum zu kümmern habe, wie der Käufer den Kaufpreis zu finanzieren gedenkt. Dabei muss er prüfen, ob der Käufer über ausreichende Mittel für den beabsichtigten Beteiligungserwerb verfügt, ohne dabei auf den Rückgriff auf Mittel der Zielgesellschaft angewiesen zu sein. Immerhin relativierte das Bundesgericht, dass sich eine Überprüfung der finanziellen Mittel der Gegenpartei je nach Konstellation als schwierig erweisen kann.

 

Fazit

Dieser Entscheid verdeutlicht die Brisanz des Themas. Im Einzelfall sind die Steuerfolgen oft weniger klar, als sich dies aufgrund der Theorie vermuten lässt. Steuerrulings, sowohl im Zeitpunkt der Transaktion, als auch vor einer beabsichtigten Substanzentnahme, sind unabdingbar.

 

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