Juni 2023 - Die Heiratsstrafe – wer hat's erfunden?

 

Ein Beitrag von

Gerhard Roth 
Jil Suter

 

Einführung

Mit der Volksinitiative "Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung" liegt ein neuer Vorschlag für die Abschaffung der sogenannten Heiratsstrafe vor. Der Bun­desrat schickt einen indirekten Gegenvorschlag ins Ren­nen. Doch was bezweckt die Individualbesteuerung und welche Folgen ergeben sich?


Status Quo

Nach geltendem Recht werden Ehepartner gemeinsam besteuert. Bei zwei Einkommen führt das aufgrund des progressiven Steuersatzes zu einer höheren Steuerbe­lastung, als wenn die beiden Ehegatten je einzeln besteu­ert würden. Zur Abmilderung kennt das Steuerrecht ei­nen Abzug für Ehepaare sowie einzelne Kantone (AG, BL und GE) den Splittingtarif. Nach diesem wird das Ein­kommen der Ehepartner zwar weiterhin zusammen ver­anlagt, jedoch zum Steuersatz, welcher für die Hälfte des steuerbaren Einkommens zur Anwendung käme. Die grossen und bevölkerungsreichen Kantone wie BE, ZH, LU oder ZG wenden jedoch nach wie vor den unvorteil­haften Verheiratetentarif an.

Weitere Informationen dazu finden Sie auch in der GHR TaxPage 01-2021.


Die Initiative

Ziel der Volksinitiative für eine Individualbesteuerung ist die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastung von Ehe­paaren und Familien. Entsprechend soll Art. 127 Abs. 2bis der Bundesverfassung ergänzt werden: Natürliche Perso­nen werden unabhängig von ihrem Zivilstand besteuert.

Durch die zivilrechtliche Zuweisung der Einkünfte und Vermögenswerte der Ehepartner kann die Ungleichbe­handlung von verheirateten und unverheirateten Perso­nen beseitigt werden. Der Zivilstand soll steuerrechtlich weder Vor- noch Nachteile mit sich bringen. Zusätzlich werden Anreize für Zweitverdienende gesetzt, sowie die Chancengleichheit und Gleichstellung gefördert.


Steuerfolgen

Die Höhe der Steuer richtet sich nach dem Einkommen des einzelnen Steuerpflichtigen und ist somit unabhängig von dessen Zivilstand. Bei Ehepaaren mit einem Einkom­men von je CHF 50'000 bedeutet dies folgendes:

Im vorstehenden Beispiel halbiert sich die Steuerlast so­mit von CHF 10'000 auf CHF 5'000.


Indirekter Gegenvorschlag

Der Bundesrat empfiehlt, die Initiative abzulehnen und stellt dieser ein Gesetzesprojekt als indirekten Gegenvor­schlag entgegen. Neben der individuellen Besteuerung sind weitere Begleitmassnahmen vorgesehen. So sollen ein erhöhter Kinderabzug sowie ein Abzug für Alleinste­hende und Alleinerziehende eingeführt werden. Für Ehe­paare mit nur einem Einkommen wurde je eine Variante mit und eine Variante ohne Sonderabzug vorgeschlagen.

Das Resultat der Vernehmlassung steht noch aus. Bleibt zu hoffen, dass Bundesrat und Parlament aus früheren Ab­stimmungsniederlagen gelernt haben, dass man Steuer­vorlagen nicht überladen darf.

 

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