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Heiratsstrafe – quo vadis?

20.01.2021 Publikationen

 

Ein Beitrag von

Gerhard Roth

 

Einleitung

Ehepaare werden gemeinsam besteuert. Dies führt bei zwei Einkommen aufgrund des progressiven Steuersatzes zu einer Mehrbelastung gegenüber Konkubinatspaaren mit identischem Gesamteinkommen. Insbesondere bei der Direkten Bundessteuer bezahlen immer noch zahlreiche Zweiverdiener- und Rentnerehepaare mehr Steuern als Konkubinatspaare in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Etwa 70 % der Rentner und Doppelverdiener, die Bundessteuern bezahlen sind von dieser "Heiratsstrafe" betroffen.

 

Der Rechtsprechung sind die Hände gebunden

Übersteigt die durch die Heirat provozierte Mehrbelastung eines Ehepaares gegenüber einem Konkubinatspaar 10 %, so liegt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor.

Beispiel aus der Praxis: A und B heirateten im Oktober 2016, beide brachten Kinder mit in die Ehe. Die Ehegatten lebten in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe, verfügten aber nach wie vor über einen je eigenen steuerrechtlichen Wohnsitz in unterschiedlichen Kantonen. Für die Steuerperiode 2016 veranlagte der eine Kanton die direkte Bundessteuer für beide Ehegatten und auf Basis des Gesamteinkommens. Die Differenz gegenüber einer Besteuerung als Konkubinatspartner betrug in diesem Beispiel für die direkte Bundessteuer 91.3 % (sic!). Die Ehegatten rügten daraufhin eine Verletzung des allgemeinen Gebots der Rechtsgleichheit vor dem kantonalen Verwaltungsgericht. Dieses kam zum Schluss, die Differenz von 91.3 % sei sachlich nicht gerechtfertigt, weshalb ein Anwendungsfall der "Heiratsstrafe" vorläge. Die Ursache der Mehrbelastung liege einzig in der Tatsache der Eheschliessung. Die Mehrbelastung beruhe jedoch auf Bundesrecht, welches für alle rechtsanwendenden Behörden massgebend sei und nicht korrigiert werden könne (Art. 190 BV). Die Eheleute ersuchten daraufhin das Bundesgericht um Änderung dieser Praxis. Dieses stimmte der Vorinstanz materiell zwar zu, versagte aber eine Gutheissung der Beschwerde ebenfalls mit dem formellen Argument, dass Bundesgesetze nicht auf deren Verfassungsmässigkeit hin überprüft werden könne.

 

Reform der Ehe- und Familienbesteuerung?

Der Reformbedarf ist somit offensichtlich. Das Bundesrecht ist derart anzupassen, dass sich die frei gewählte Form des Zusammenlebens steuerlich nicht negativ auswirkt. Das Parlament tut sich allerdings schwer damit, einen Konsens zu finden.

Der Bundesrat hat das Modell der "alternativen Steuerberechnung" vorgeschlagen. Danach berechnet die veranlagende Behörde in einem ersten Schritt die Steuerbelastung eines Ehepaars im Rahmen der ordentlichen, gemeinsamen Veranlagung. Daraufhin wird eine zweite Steuerberechnung auf Basis eines angenommenen Konkubinatsverhältnisses vorgenommen. Der tiefere der beiden Steuerbeträge wird in Rechnung gestellt. Im Ergebnis ist die alternative Steuerberechnung somit eine Tarifkorrektur.

Am 18. Dezember 2019 hat das Parlament die Vorlage zur "ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung" an den Bundesrat zurückgewiesen mit dem Auftrag, alternative Modelle vorzulegen, wie zum Beispiel das Familienquotientensystem oder die Individualbesteuerung.

Damit liegt der Ball wieder beim Bundesrat. Aufgrund der aktuellen Belastung durch die Pandemie ist nicht mit einer raschen Neuvorlage des Geschäfts zu rechnen.

 

Geltende Ausgleichungsmöglichkeiten

Um die "Heiratsstrafe" etwas abzufedern, werden gewisse Abzüge gewährt.

Zweiverdienerabzug
Verheiratete Doppelverdiener dürfen bei der Direkten Bundessteuer die Hälfte des niedrigeren Verdienstes abziehen (max. 13’400, min. 8’100 Franken).

Verheiratetenabzug
Dieser Abzug von der Bundessteuer steht allen Verheirateten zu und umfasst einen Pauschalbetrag von 2’600 Franken. Auf kantonaler Ebene sind die Abzüge betragsmässig unterschiedlich geregelt.

 

Fazit

Der Handlungsbedarf ist bis hinauf zum höchsten Gericht erkannt. Politische und weltanschauliche Gründe lassen das Parlament jedoch nicht zu einem Konsens kommen. Die Rechnung für dieses Hin und Her bezahlen die Ehepaare – und das nicht zu knapp.

 

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