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Ersatzbeschaffung bei der Grundstückgewinnsteuer – Praxisänderung

19.08.2021 Publikationen

 

Ein Beitrag von

Gerhard Roth

 

Einleitung

Das Bundesgericht hat in einem Urteil vom 28. September 2017 die bernische Steuerpraxis zur Ersatzbeschaffung überprüft und den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts aufgehoben. Wir nehmen diesen Entscheid zum Anlass, das Institut der Ersatzbeschaffung wieder einmal in Erinnerung zu rufen und gleichzeitig die Praxisänderung zu erläutern.

 

Grundsatz: Steueraufschub

Beim Verkauf einer selbst genutzten Wohnliegenschaft wird die Besteuerung des Grundstückgewinns aufgeschoben, soweit der dabei erzielte Erlös innert angemessener Frist zum Erwerb oder zum Bau einer gleich genutzten Ersatzliegenschaft in der Schweiz verwendet wird. Übersteigt der Kaufpreis der Ersatzliegenschaft den Verkaufspreis der ursprünglichen Liegenschaft, kann der Grundstückgewinn auf die neue Liegenschaft übertragen und die Besteuerung damit aufgeschoben werden. Übersteigt der Kaufpreis der Ersatzliegenschaft zwar die Anlagekosten der ursprünglichen Liegenschaft, nicht aber den Verkaufspreis, wird die Grundstückgewinnsteuer im Umfang des reinvestierten Gewinnes aufgeschoben, über den nicht reinvestierten Gewinn wird abgerechnet. Bei der Veräusserung des Ersatzgrundstücks besteuert der Liegenschaftsort des Ersatzgrundstücks den auf beiden Grundstücken aufgelaufenen Gewinn gesamthaft.

 

Ausgangslage

Die Steuerpflichtige verkaufte im April 2008 ihre bis dahin selbstbewohnte Liegenschaft im Kanton Bern. Weil sie eine Ersatzbeschaffung geltend machte, wurde die Grundstückgewinnsteuer aufgeschoben. Ersatzobjekt war eine Liegenschaft im Kanton Genf, welche die Steuerpflichtige bereits im Juni 2010 ohne Erwerb einer weiteren Ersatzliegenschaft wieder verkaufte.

Die Steuerverwaltung des Kantons Bern veranlagte daraufhin den ursprünglich aufgeschobenen Liegenschaftsgewinn. Strittig war, welchem Kanton das Besteuerungsrecht für die aufgeschobene Grundstückgewinnsteuer zukommt.

 

Urteil des Bundesgerichts

Das Bundesgericht äusserte sich zur Frage, ob der Kanton Bern als Wegzugskanton trotz des damaligen Steueraufschubs zur Besteuerung des auf seinem Gebiet erzielten Grundstückgewinns zuständig bleibt (Zerlegungsmethode) oder ob der gesamte durch den Verkauf des Ersatzobjekts erzielte Grundstückgewinn im Kanton Genf steuerbar ist (Einheitsmethode). Es stellte klar, dass in jedem Fall, also auch bei einer Weiterveräusserung des ausserkantonalen Ersatzobjekts innert der ersten fünf Jahre seit dessen Erwerb, die Einheitsmethode zur Anwendung gelangt. Damit konnte der Kanton Genf den gesamten Liegenschaftsgewinn besteuern. Dem Kanton Bern als Belegenheitskanton des ursprünglichen Grundstücks steht kein Besteuerungsrecht mehr zu.

 

Fazit

Bei der interkantonalen Ersatzbeschaffung von dauernd und ausschliesslich selbst genutztem Wohneigentum steht das Besteuerungsrecht des latenten Steuersubstrates ausschliesslich dem letzten Zuzugs-Kanton zu, unabhängig davon, wie lange der Steuerpflichtige die Liegenschaft gehalten hatte.

Der Entscheid führt dazu, dass der Kanton Bern seine bisherige Praxis zur Ersatzbeschaffung aufgeben muss. Diese Rechtsprechung ermöglicht den Steuerpflichtigen neue Steuerplanungsmöglichkeiten. Nach wie vor gilt aber, dass der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz zwingend an den Ort der Ersatzliegenschaft verlegen muss, um überhaupt in den Genuss eines Steueraufschubs durch Ersatzbeschaffung zu kommen. Bei Rechtmissbrauch oder Immobilienspekulation wird kein Schutz gewährt. Auch in diesem Punkt ist das Bundesgerichtsurteil sehr klar.

 

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