Update arbeitsrechtliche Aspekte bei Corona-Virus
17.03.2020 Publikationen
Ein Beitrag von
Rolf Hartmann
Patrizia Lorenzi
Markus Brülhart
Aktuelle Situation
Der Bundesrat hat mit heutiger Wirkung weitere Massnahmen beschlossen und ein vollständiges Veranstaltungsverbot eingeführt sowie öffentliche Einrichtungen für das Publikum geschlossen, so z.B. Einkaufsläden, Restaurationsbetriebe, die gesamte Unterhaltungs- und Freizeitindustrie, etc. Diese Massnahmen gelten vorerst bis am 19. April 2020. Eine Ausgangssperre wurde bislang nicht verhängt und der Arbeit ist somit grundsätzlich nachzugehen.
Mit diesem Update knüpfen wir an unseren Arbeitsrechtler von Anfang März 2020 an und hoffen, Sie damit bei der Bewältigung der Effekte rund um das Corona-Virus im Arbeitsalltag und in Bezug auf allfällige Fragen zum Abreitsrecht unterstützen zu können.
Kurzarbeit
Sofern in Ihrem Betrieb ein Arbeitseinbruch droht, ist dringend ein Gesuch um Kurzarbeit zu prüfen. Der Bundesrat hat 8 Milliarden Franken Soforthilfe für Kurzarbeit bewilligt und die Karenzfrist auf einen Tag gesenkt, so dass von den Arbeitgebern nur ein Tag selbst getragen werden muss. Der Bundesrat prüft zudem, ob der Anspruch auf Kurzarbeit durch eine Gesetzesänderung auf befristete Arbeitsverhältnisse ausgedehnt wird.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Prüfung, ob Sie Kurzarbeitsentschädigung beantragen können, sowie bei der Gesuchserstellung.
Home Office
Grundsätzlich können Arbeitnehmende weder Anspruch auf Homeoffice geltend machen noch Arbeitgeber darauf beharren, dass die Arbeit im Home Office verrichtet werden muss. Sofern es betrieblich sinnvoll und technisch möglich ist, kann Home Office vom Arbeitgeber angeordnet, jedoch nicht aufgezwungen werden, ausser es handle sich um besonders gefährdete Personen (dazu sogleich nachfolgend). Kommuniziert oder individuell geregelt werden sollte, wer die Kosten für die Arbeitsgeräte und die Auslagen wie z.B. für die Strom- und Datenversorgung, etc. trägt. Zudem sollte der Arbeitgeber Anweisungen zur Zeiterfassung erteilen und festhalten, dass die Anordnung von Home Office jederzeit widerrufen werden kann. Ist die Anordnung von Home Office dagegen nicht sinnvoll oder technisch nicht möglich, so ist die Arbeitsleistung bis auf weiteres zu erbringen. Vorbehalten sind Abreden, dass Mehrarbeit kompensiert oder Ferien bezogen werden.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Erstellung der sinnvollen Dokumente für Home Office.
Besonders gefährdete Personen
Mit der bundesrätlichen Verordnungsanpassung vom 16. März 2020 sind Arbeitnehmende, die besonders gefährdet sind, verpflichtet, von zuhause aus zu arbeiten. Als solche Personen gelten jene ab 65 Jahren und jene, die an bestimmten Erkrankungen leiden, wie z.B. Bluthochdruck, Diabetes, etc. Diese Personen müssen ihre besondere Gefährdung durch persönliche Erklärung geltend machen, wobei der Arbeitgeber auch ein ärztliches Attest verlangen kann. Ist Home Office nicht möglich, muss der Arbeitnehmer unter Lohnfortzahlung beurlaubt werden.
Wir beraten Sie gerne bei Fragen im Umgang mit diesem Thema.
Kompensation Überstunden
Grundsätzlich kann die Kompensation von Überstunden nur mit Zustimmung des Arbeitnehmenden angeordnet werden. Davon kann aber vertraglich abgewichen werden.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Prüfung und Erstellung von sinnvollen Dokumenten/Anordnungen für die Kompensation von Überstunden und Überzeiten.
Schulschliessungen
Durch die angeordnete Schliessung von Schulen stellt sich die Frage, ob Arbeitsausfälle aufgrund von Abwesenheiten bei Betreuung von Kindern zu entlöhnen sind. Arbeitnehmende sind gefordert, andere Betreuungsangebote zu prüfen und zu nutzen, so insbesondere auch die von den Kantonen zur Verfügung gestellten Angebote. Wie bisher ist davon auszugehen, dass die Schulferien durch die Mitarbeitenden zu organisieren sind. Kindertagesstätten werden nur geschlossen, wenn andere Angebote bestehen.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Klärung, ob Lohnfortzahlung geschuldet ist, und bei der Umsetzung von Massnahmen bei elterlichen Betreuungspflichten.
Ferienanordnung
Die Frühlingsferien stehen vor der Tür und viele Reisen sind gebucht. Dass Ferienreisen im Ausland gestützt auf die neuesten Empfehlungen von den Mitarbeitenden nicht angetreten werden, führt nicht automatisch dazu, dass Arbeitnehmende die Ferien überhaupt nicht beziehen sollen. Liegt es im Interesse des Betriebs, was bei Notfällen der Fall sein dürfte, sind die Ferien trotzdem zu beziehen oder gar vorzuverschieben. Grundsätzlich ist es so, dass je mehr Dringlichkeit zur einseitigen Anordnung von Ferien aus betrieblichen Gründen besteht (und Home Office beispielsweise keine Alternative ist), desto weniger muss auf die Wünsche der Arbeitnehmenden Rücksicht genommen werden.
Empfehlungen oder Weisungen?
Weisungen können in allgemeinen Anordnungen an eine Mehrzahl von oder in besonderen Weisungen an einzelne Arbeitnehmende gerichtet werden. So oder anders müssen rechtmässige Weisungen von den Arbeitnehmenden befolgt werden, andernfalls Sanktionen ausgesprochen werden können. Empfehlungen dagegen haben keinen verbindlichen Charakter und stehen grundsätzlich im Belieben des Adressaten, ob sie befolgt werden oder nicht.
Weisungen haben regelmässig einen Bezug zur Arbeit. Ihr Ziel ist es primär, Arbeitsabläufe optimal zu organisieren, die Arbeitssicherheit einzuhalten, etc. Grobe Verstösse gegen Weisungen oder allgemein grob unsinniges Verhalten können dazu führen, dass infolge Selbstverschuldens der Lohnanspruch nach Art. 324a OR bei Arbeitsunfähigkeit wegfällt.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Prüfung und Erstellung von Empfehlungen (z.B. Privatreisen, Impfungen) oder Weisungen (z.B. Geschäftsreisen, Verhaltensregeln).
Krankentaggeldversicherung
Wir empfehlen Ihnen, in dieser speziellen Situation die Arbeitnehmenden mit einer Information explizit auf die Mitwirkungs- und Meldepflichten gegenüber der Krankentaggeldversicherung, soweit eine solche besteht, sowie zu allfälligen Kriterien zum Selbstverschulden, zu Ausschlussgründen und zur Schadenminderungspflicht aufmerksam zu machen. Ob und inwieweit in Spezialfällen aufgrund der bundesrätlichen Anordnungen eine Krankentaggeldversicherung Leistungen übernimmt, wäre mit diesen zu klären.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Erarbeitung entsprechender Informationsblätter.
Individuelle Vereinbarungen
Bei einigen Themen ist noch nicht klar, wie die Praxis und insbesondere die Gerichte damit umgehen werden. Es ist davon auszugehen, dass sich erst mit der Zeit abschliessende Antworten zu Einzelfragen herausbilden werden. Allgemein erachten wir es als sinnvoll – wo immer möglich – individuelle Vereinbarungen abzuschliessen, um potentielle Konflikte und rechtliche Streitigkeiten mit Arbeitnehmenden vermeiden zu können.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Erstellung von individuellen Vereinbarungen.