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GHR Energy Law Quarterly - Dezember 2022 - Energieversorungssicherheit in der Schweiz - Massnahmen des Bundes

01.12.2022 Publikationen

 

Ein Beitrag von 

Marc Grüninger 
Patrizia Lorenzi

 

Mit den anhaltenden Unsicherheiten und Folgen im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg, Lieferengpässen und Preisausschlägen an den Gas- und Strommärkten ist die Versorgungslage in der Schweiz angespannt und die Schweizerische Bundesregierung stark gefordert. Der Bundesrat hat daher verschiedene Massnahmen beschlossen, um kurzfristig die Versorgungssicherheit zu stärken und Engpässe im Winter zu vermeiden.

Wasserkraftreserve

Der Bundesrat hat die Verordnung über die Errichtung einer Wasserkraftreserve (WResV) erlassen. Die Reserve soll zur Verfügung stehen, wenn an der Strombörse für den Folgetag die nachgefragte Menge Elektrizität das Angebot übersteigt. Dieser Fall könnte Ende Winter eintreten, wenn der Stromverbrauch hoch, Stromimporte eingeschränkt und die inländischen Kernkraftwerke reduziert verfügbar wären. Diese Winterreserve soll den Zeitraum vom 1. Dezember 2022 bis zum 15. Mai 2023 überbrücken.

Die Wasserkraftreserve wurde über Ausschreibungen von Swissgrid, der schweizerischen Übertragungsnetzbetreiberin, bei Speicherkraftwerksbetreibern beschafft, mit der Zustimmung der Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom). Die beschaffte Energiemenge beläuft sich auf 400 GWh und ist mit Kosten für das Vorhalten der Reserve von EUR 296 Mio. verbunden. Diese werden dem Netztarif zugeschlagen und schliesslich von den Verbrauchern getragen. Es ist davon auszugehen, dass die Tarife von Swissgrid dadurch ansteigen werden.

Mobile Reservekraftwerke

Eine weitere Absicherung sollen Reservekraftwerke, die mit Gas, Öl und Wasserstoff betrieben werden, bieten. Der Bund hat mit dem Unternehmen GE Gas Power einen Vertrag unterzeichnet und acht mobile Gasturbinen beschafft. Diese Turbinen können neben Gas auch mit Öl oder Wasserstoff betrieben werden und sollten bereits diesen Winter zur Verfügung stehen.

Rettungsschirm Elektrizitätswirtschaft

Der Bundesrat hat im September 2022 den Rettungsschirm (vgl. ELQ Juni 2022) mittels Notverordnung über subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft (FiREVO) in Kraft gesetzt. Dieser gilt grundsätzlich für die drei als systemkritisch geltenden Schweizer Stromunternehmen Axpo Holding AG, Alpiq Holding AG sowie BKW AG. Nachdem die Axpo Holding AG ein Gesuch um Liquiditätsunterstützung gestellt hatte, gewährten ihr Bundesrat und Parlament den beantragten Kreditrahmen von CHF 4 Milliarden.

Sparkampagne

Ende August 2022 hat der Bundesrat seine Sparkampagne "Energie ist knapp. Verschwenden wir sie nicht." lanciert. Diese richtet sich mit Empfehlungen an die Bevölkerung und die Wirtschaft und beinhaltet Hinweise, wie im Wesentlichen die Energieträger Gas, Heizöl und Strom geschont werden können.

Zu dieser Sparkampagne gesellt sich nun auch die Energiespar-Alliance mit über 180 Partnern aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und öffentlicher Hand. Die Energiespar-Alliance bekennt sich zur Sparkampagne und die Partner der Alliance veröffentlichen ihr Engagement und die von ihnen geplanten Sparmassnahmen. Diese beinhalten bspw. die Reduktion der Beleuchtung (insbesondere im Aussenbereich), tiefere Raumtemperaturen, Empfehlungen zum Warmwasserverbrauch, Vermeidung des Standby-Verbrauchs, Optimierung von Prozessen und Schulung der Mitarbeitenden.

Spannungserhöhung Übertragungsnetz

Als weitere Massnahme hat der Bundesrat eine Verordnung verabschiedet, damit Swissgrid auf gewissen Abschnitten der Höchstspannungsleitungen zeitlich begrenzt die Spannung erhöhen kann. Damit sollen Importkapazitäten aus dem angrenzenden Ausland abgeschöpft und bei Engpässen in der Schweiz genutzt werden. Die Leitungsabschnitte Bickigen – Chippis und Bassecourt – Mühleberg würden dann mit 380 kV statt mit 220 kV betrieben.

Notstromgruppen

Eine weitere Verordnung über die Errichtung einer Winterreserve (Winterreserveverordnung) wird im Verlauf Februar 2023 in Kraft treten. Sie regelt den Einsatz von Notstromgruppen als zusätzliche Reserve.

Bewirtschaftungsmassnahmen Strom

Sollte es zu einer Mangellage kommen, wird der Bundesrat mit zeitlich begrenzten Bewirtschaftungsmassnahmen die Stromversorgung regeln. Ziel ist es, die Netzstabilität und damit die Stromversorgung aufrechtzuerhalten. Der Bundesrat hat diverse Verordnungsentwürfe zu Bewirtschaftungsmassnahmen für den Fall einer schweren Strommangellage gestützt auf das Landesversorgungsgesetz in Vernehmlassung geschickt (bis 12. Dezember 2022). Diese Entwürfe sehen Verwendungsbeschränkungen und Verbote, Sofortkontingentierung, Kontingentierung sowie Netzabschaltungen vor. Zuerst sind dringliche Sparappelle an alle Stromverbraucher vorgesehen. Parallel dazu kann der Bundesrat bereits erste Verwendungsbeschränkungen und Verbote erlassen. Grundsätzlich fangen die Eskalationsschritte bei Komforteinschränkungen wie dem Verbot von Objektbeleuchtungen an und gehen bis hin zu Betriebsschliessungen. Ziel ist es, dass die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen nicht wesentlich tangiert wird. Allfällige Betriebs- und Arbeitsausfälle aufgrund behördlich angeordneter Massnahmen könnten allenfalls über Kurzarbeitsentschädigung gedeckt werden, weitere Entschädigungen sind nicht vorgesehen.

Gasmangellage

Der Bundesrat hat die Verordnung über Verbote und Beschränkungen der Verwendung von Gas (wie z.B. für nicht täglich genutzte Gebäude, für Wellness-Anlagen und Schwimmbäder, oder eine Beschränkung der Wärme in Innenräumen auf 20 Grad Celsius und Warmwasser auf 60 Grad Celsius) und die Verordnung über die Kontingentierung des Gasbezugs (wobei Privathaushalte, Spitäler, soziale Einrichtungen, etc. ausgenommen sind) in Konsultation geschickt.

Zudem liegt auch die vom Bundesrat erlassene Umschaltverordnung von Zweistoffanlagen vor. Zweistoffanlagen in der Industrie können zwischen zwei Energieträgern (für Prozessenergie und Gebäudewärme) wechseln. In der Regel dient Gas als Brennstoff, jedoch müssen diese Anlagen einen zweiten Stoff vorhalten, in der Regel Heizöl.

Diese Verordnungen werden erst im Fall einer schweren Mangellage in Kraft gesetzt und allenfalls an die dannzumal herrschende Situation angepasst.

Fördergelder

Inzwischen hat auch das Gesetzgebungsprojekt über das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien nach einer Flaute starken Aufwind erhalten. Zugunsten des Ausbaus von Kraftwerken für die Förderung erneuerbarer Energien sind weitere Fördergelder und Erleichterungen vorgesehen. Damit können jedoch nur längerfristige Massnahmen zur Versorgungssicherheit bewirkt werden. Gleiches gilt auch für die derzeit diskutierte, mögliche neue Pflicht zur Installation von Solaranlagen auf Neubauten und eventuell grösseren Sanierungen.

 

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